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Donnerstag, 20. Oktober 2011

Ramsäuerlich geschrödertes Herbstquotentheater

Wie bastle ich mir ein Ablenkungsmanöver? Man nehme den alten Haudegen und die niedliche Prinzessin, ein paar gesellschaftliche (Neben-)Kriegsschauplätze und Unmengen an Medienvertretern, und.... tataaaaa.... fertig ist das Schmierentheater aus Schein und Schimmer. Den wirklichen Problemen geht es durch die etwas halbstark vorgetragenen (Nicht-)Absichten natürlich wieder mal nicht an den Kragen. Aber das soll es ja auch nicht...

Wenn der Herr Minister Ramsauer die Keule rausholt und mit erhobenem Zeigefinger die Unvernunft der helmverweigernden Fahrradfahrer anprangert, so wirkt das schon irgendwie überheblich und nervig. Wenn er sich dann weiterhin echauffiert und mit Konsequenzen droht, falls sich die Zahlen nicht schnellstens um mehrere hundert Prozent verbessern, so wirkt das bisweilen grotesk. Und so viel Realitätsverlust macht dann gleich auch wütend, denn da ist er wieder, der typisch deutsche Reglementierungswahn, der den Bürgern abspricht, auf sich selbst aufpassen zu können. Und dann muss sofort eine Helmpflicht her.

Der gleiche Herr Ramsauer und sein Ministerium haben übrigens die Mittel zur Förderung der fahrradfreundlichen Infrastruktur radikal zusammengestrichen, dabei ist das eigentlich das zentrale Problem. Um das zu belegen braucht man nicht weit schauen. Die Holländer haben ja nach allgemeiner Meinung das Fahrradfahren quasi erfunden. Kein Mensch trägt hier einen Helm, es gibt aber auch so wenig schwere Unfälle wie sonst nirgends. Wie kommt das? In Holland ist die Verkehrsinfrastruktur überwiegend integriert, Rad- und Autofahrer achten gegenseitig aufeinander, weil sie die Anlage von Straßen- und Wegeführung dazu zwingt. Solche Konzepte sind auch für deutsche Verkehrsplaner nicht zwangsläufig fremd (na okay, für einige schon) , und in den Bereichen, bei denen in Deutschland entsprechende Verkehrszonen bestehen, läuft das auch ganz hervorragend. Die Unfälle mit schweren Folgen passieren überwiegend dort, wo die Lage unübersichtlich wird und bei fehlender Aufmerksamkeit der Bruchteil einer Sekunde über die Folgen entscheidet. Die Helmpflicht löst dieses Problem nicht, man könnte Fahrradfahrern eine komplette Rüstung aufzwingen, und würde die grundlegende Problematik nicht verändern. Also wieder mal nur die  Behandlung der Symptome per Vorschrift.

Bevor ich mich darüber weiter aufrege, schaue ich lieber nochmal bei der öffentlichen Diskussion um die Frauenquote in den deutschen Führungsetagen nach. Da lässt sich die zuständige und vor allem junge Ministerin von den mächtigen Herren der stärksten deutschen Unternehmen quasi öffentlich vorführen. Man äußert sich natürlich mit einem klaren Bekenntnis zu mehr Frauen in Führungspositionen und da werde man sich auch entwickeln... wir schauen uns das mal an. Da ist hinterher eigentlich der gleiche Stand wie vorher, nur dass es zwischendurch eine Pressekonferenz gegeben hat.

Während sich im politisch-wissenschaftlich Betrieb verschiedene Quoten- oder Nicht-Quoten-regelungen in der Diskussion gegenseitig aufreiben, holen die Medien zum mutterkomplexen Rundumschlag aus. Da ist von höherer Empathiefähigkeit und stärker ausgeprägtem Ganzheitlichkeitsanspruch bei „den Frauen“ die Rede, dass es klischeehafter denn je aus dem Fernseher wabert. Dass es bei dieser Diskussion genau darum gar nicht geht, sondern um die mangelhaften Rahmenbedingungen in den deutschen Vorstandsetagen, ist auch hier kein Thema. Da fand ich die Bemerkung einer erfolgreichen Unternehmerin irgendwie schon bedenkenswert, die meinte, eine Quote könne sich vielleicht eher kontraproduktiv auswirken, weil die männliche Vorstandsdenke automatisch das Label „Quotenfrau“ auf die Kandidatin klebt, bevor die den ersten Leitantrag formuliert hat. Und vielleicht weiß sie zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal, wie das mit der ganztägigen Betreuung ihres Kindes laufen wird.

Ich hab dann doch ziemlich schnell gemerkt, dass ich nicht der Einzige bin, der die Befürchtung hat, dass die gesetzlich reglementierte Frauenquote möglicherweise unumgänglich aber genauso wenig praxisorientiert ist, wie eine Promillegrenze für Zierfische. Es scheint mir leider eher wahrscheinlich, dass die vielen klugen und leistungsfähigen Frauen sich ihren Erfolg erst erarbeiten müssen, ohne sich als „bessere Männer“ zu präsentieren. Und vielleicht ist es von Vorteil, wenn viele moderne Mütter und Väter ihren Töchtern beibringen würden, dass sich die Nutzung der eigenen Stärken sehr viel mehr lohnt als die Aufmerksamkeit der Männer. Ihr braucht nicht mit dem Kopf schütteln, das ist nicht wirklich selbstverständlich.

Ein Déjà Vu zu diesem Thema wäre bei meiner Generation nicht unwahrscheinlich, irgendwie ist das alles schon einmal diskutiert worden. Und die öffentliche Diskussion um das Thema ist immer noch von einem Ur-Konservatismus geprägt, den es so eigentlich nur noch in Deutschland gibt. Es kann doch eigentlich nicht angehen, dass immer noch öffentlich emotional-moralisch diskutiert wird, ob man Angebote für Ganztagsbetreuung von Kindern wirklich flächendeckend gesellschaftlich vertreten kann (mal ganz abgesehen von dem Finanzierungsproblem). Unsere französischen Nachbarn und Freunde dürften sich über derlei Fragestellungen kaputt lachen. Bei manchen Medienberichten zu dem Thema fragt man sich, ob die Redakteure vollenthirnt oder einfach im 19. Jahrhundert stehengeblieben sind. Wertvolle Beiträge für kritische Zuschauer sehen dann doch irgendwie anders aus.

Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Die Ablenkungsmanöver wären fast gelungen, wenn den beiden Delinquenten nicht eine Parteifreundin und Auch-Ministerin in die Parade gefahren wäre. Und nun zoffen sie sich wieder alle, stellen Dinge grundsätzlich in Frage oder postulieren im Gegenzug grundsätzlich (aber ohne Blick auf das Ganze) drauf los, dass man schon wieder keine Lust hat, den Einzelargumenten zu folgen. Irgendwie erbärmlich oder vielleicht nur erbärmlich vorgespielt, was noch schlimmer wäre.

Derweil fällt in China ein Sack Reis um.

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