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Dienstag, 4. Oktober 2011

Jetzt zunehmend neu im Angebot - Erkenntnisresistenz!

Bislang waren die Verhaltensweisen in gesellschaftlich relevanten Einrichtungen (wie z.B.  Schulen und Behörden) und nahezu allen Wirtschaftsunternehmen geprägt von einer unheimlich anmutenden Masse an lern- und/oder beratungsresistenten Mitgliedern. Doch wir entwickeln uns gerade in Deutschland offensichtlich doch irgendwie weiter... bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob die Richtung stimmt. 

Während die Beratungsresistenz noch einen Akt der Kommunikation voraussetzt (der dann erfolgreich vom beabsichtigten Empfänger ignoriert wird), ist die Erkenntnisresistenz völlig autark am Werk. ES sieht, aber ES akzeptiert die Nachricht nicht. Und stellt folglich auch sein Verhalten nicht auf veränderte Bedingungen ein.

Um jetzt nicht auf für mich selbst in dem Zusammenhang offensichtliche Merkwürdigkeiten zu schreiben zu kommen, nenne ich mal das Beispiel, das meine Generation grundsätzlich am nachhaltigsten geprägt haben dürfte - die Atomkraft.

Als uns Mitte der 80er der Tschernobyl-Reaktor quasi vor der Haustür um die Ohren flog, wäre die logische Erkenntnis gewesen, dass die nukleare Technologie unter gewissen Umständen für den Menschen nicht mehr kontrollierbar ist. Doch die wirtschaftlichen Interessen waren enorm und die Diskussion verlagerte sich (vielleicht nicht so ganz von alleine) auf eine Debatte über Wahrscheinlichkeiten eines weiteren Unfalls dieser Größenordnung. Dabei hätte die Neigung des Menschen zum Selbstschutz und dem Schutz seiner Nachkommen eigentlich dafür sorgen müssen, dass allein die nachweisliche Realität eines solchen Unfalls ein untragbares Risiko ist. Dem war keinesfalls so... aus Angst davor, dass "bei uns irgendwann die Lichter ausgehen" (schon das wäre zum Lachen, wenn es nicht so ernst wäre) veränderte sich erstmal nix...

Es brauchte erst den Super-GAU in Japan, um überhaupt irgendwas in Bewegung zu setzen. Den Japanern fühlen wir uns ähnlich, die sind wirtschaftlich stark, arbeiten viel und motzen wenig. Diszipliniert eben, und in unseren Klischeeköpfen natürlich auch nicht so rückständig wie die Russen (die ja in diesem Falle eigentlich Ukrainer waren, aber das ist ein anderes Thema).  Die Bewegung, die dann in die politschen Entscheidungsebenen kam, war allerdings eher geprägt von dem Wunsch nach guten Umfrageergebnissen als von einer wirklich Erkenntnis. Auch nicht besser als Resistenzverhalten.

Weniger dramatisch, aber nicht weniger nachhaltig semmelt die Erkenntnisresistenz z.B. in das Bildungswesen rein. Wir mussten unsere Kinder unbedingt nach 12 Jahren das Abitur machen lassen, damit wir angeblich "im internationalen Vergleich konkurrenzfähiger werden". Also pressen wir deutlich mehr Wissen in eine kürzere (Lern-)Zeit, obwohl wir im internationalen Qualitätsvergleich der Bildung eh schon sehr bescheiden abgeschnitten haben. Der Sündenfall der Erkenntnisresistenz... aber vielleicht wollten wir nur (öffentliches) Geld sparen, und das mit der Konkurrenzfähigkeit war nur eine Ausrede. Wäre denkbar.

Obgleich des verfügbaren "besseren Wissens" schrien viele Eltern und Lehrer diejenigen mundtot, die den Verdacht hatten, dass da gerade was richtig schief läuft. JAAAA, wir wollen mehr Konkurrenzfähigkeit mit den anderen Ländern (wobei keiner erklären kann, wieso das nötig ist und was das eigentlich konkret bedeutet). Die Erkenntnisresistenz setzt dann gleich schon wieder ein, wenn sich rausstellt, dass viele, viele Abläufe im Bildungssystem grundlegend verändert werden müssten, um überhaupt das nötige Lerntempo annähernd zu erreichen. So z.B. die Verfügbarkeit von Informationen für die Schüler. Die werden nämlich nahezu ausnahmslos zusammengsetellt wie im 19. Jahrhundert. Stundenplanänderungen sind genauso wenig online verfügbar, wie die Übersicht über durchgenomme Lerninhalte oder Vorbereitungsthemen für Referate. Nee, dann lieber einen Ordner im Klassenraum aufstellen, wo händisch solche Sachen abgelegt werden, lieber Unmengen von Papier kopieren oder Notizen ins Klassenbuch schreiben und daruf warten, dass sich die Schüler das in Lücken zwischen dem Unterricht abrufen. Immer nur einer zur Zeit, weil mehr geht damit ja nicht.

Kommt aber bitte nicht auf die Idee, mal auf einem Elternabend einen Vorschlag in Richtung Virtualisierung zu machen. Dann werdet ihr erst belächelt und dann schneller mit einem eilig an den Haaren herbeigezerrten Totschlag-Argument angeschossen, als ihr 'facebook' sagen könnt. Ich hab allerdings den Verdacht, dass hier dann die gute alte Beratungsresistenz gepaart mit unwilliger Lernresistenz am Werk ist. Vielleicht ist es weniger ein Verdacht... und mehr eine Hoffnung. Wobei die Sache dann wohl doch gerade irgendwie persönlich geworden ist.

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