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Mittwoch, 9. November 2011

Die öffentliche Klärung des Beziehungsstatus

Ich gebe zu, ich hab mich aufstacheln lassen. Es war tatsächlich wieder mal eine dieser unsäglichen Copypastekettenbriefattacken bei facebook, die mir zu denken gab. Vermutlich verfasst von Mitgliedern meiner Generation, wurde über die aktuell pubertierende Facebook-Generation (also quasi unsere Kinder) hergezogen, leider in einem bedenklich semi-adulten Stil und voller beschädigter deutscher Sprache. Gepaart mit den jüngsten Live-Erfahrungen persönlicher Natur kann man das einfach so nicht stehenlassen...

Ca Thriin (Name vom Autor bewusst geändert, könnte wirklich jede 15jährige sein, Ähnlichkeiten zufällig... ehrlich) hat ihren Beziehungsstatus geändert. In einer Beziehung prangt es jetzt auf ihrer Seite, garniert mit einem kleinen Herzchen. Wenig später ist der Auserwählte auch schon multimedial identifiziert: Voll Pfosten95 soll es also sein, zumindest für die nächsten Wochen. Dass die Bilder von zahllosen Sonnenbrillen-Poser-Sessions nicht so richtig zu den jung-weiblichen Kussmund-Orgien passen, ist sicherlich völlig normal. Und auch, dass man das mit 15 ganz schnell seinen Freunden (oder viel wichtiger, Freundinnen) mitteilt ist jetzt eigentlich keinen Artikel wert. Auch wenn man bei FB fast 500 von der Sorte hat.

Bemerkenswert wird die Sache erst, wenn aus dieser Freundesuppe ungefähr 100 Kommentare auf diesen einen Post (der ja nicht mal wirklich einer ist) folgen, von denen zwei Drittel mit "endlich geschafft!" beginnen, als hätte das schmächtige Teeny-Mädchen mit dem etwas zu engen Top gerade eine nordafrikanische Gesellschaft von einem gefährlichen Diktator mit terroristischen Verbindungen in alle Welt befreit. Oder zumindest eigenhändig einen 30-Tonnen-Gummibärchen-Laster den Brenner-Pass hinaufgeschoben. Hätten die nicht wie das restliche Drittel der FBF (Facebook-Freunde) einfach nur gratulieren und ein bisschen Glück wünschen können? Bleibt doch wohl ein ewiger Teenager-Wettstreit, wer macht was zuerst und wenn ja dann wie oft. Okay, ich bekloppter Naiv-Idealo... natürlich wird sich das nie ändern. Lassen wir das also, denn schlimm ist anders.

Schlimm ist, was man an einem eigentlich herrlichen Sonntagmorgen in der viel zu langen Schlange vor dem Bäcker seiner Wahl erleben kann. Eine jugendlich klingende, weibliche Stimme meldet sich etwa drei Meter hinter mir in der Schlange an ihrem Handy, dass gerade mit einer Mischung aus afrikanischem Rhythmus und Walgesängen nach Gehör verlangt hatte. Was zunächst ganz harmlos mit der Klärung des persönlichen Befindens nach einer offensichtlich doch noch etwas heftigen Partynacht beginnt, wächst sich innerhalb von fünf Minuten (!) zu einer psychoanalytischen Gruppenbetrachtung der gesamten Partygesellschaft aus. Dann wird noch eben schnell verbal auf dem Liebsten der Gesprächspartnerin rumgetrampelt ("Also ehrlich, eigentlich habe ich ja nix gegen Thomas..."), ein paar virtuelle Arschtritte in Richtung des eigenen "Stubenhockers" gehen auch noch ab, bevor der wahrscheinlich etwas altersschwache Akku des Nokia-Knochens mit all den wartenden Brötchenholern ein Einsehen hat und seine bevorstehende Arbeitsverweigerung ankündigt. Ich dreh mich noch schnell um... Shit, Generation 40plus am Werk. Ich schäme mich plötzlich.

Und dann fällt mir wieder eine Begebenheit von nicht allzu lange davor ein. Verhaltensweise identisch, Ort unterschiedlich. Da war's dann in der Straßenbahn. Und ich erinnere mich noch gut, wie's mir da schon in der Nackengegend geschauert hat. Warum glauben pseudo-alternative MittvierzigerInnen, dass die Inhalte dieser Telefongespräche für irgendjemanden im öffentlichen Raum von Interesse sind? Und verdammt, warum glauben sie, dass solche Aktionen weniger peinlich sind, als ein bisschen Teeny-Romantik (oder was dafür gehalten wird) bei FB? Sehr tragisch...

Neulich fragt mich dann doch ernsthaft einer, warum ich mich eigentlich weigere, erwachsen zu werden. Bitte sehr, überlegt doch mal ;-)


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