Okay, wer mich kennt, wird schon beim Anblick des Titels sagen: Will er jetzt etwa über sich selbst schreiben? Ich gebe zu, dass ich auch gelegentlich das Klugscheißer-Gen gepachtet habe (warum sonst würde ich einen Blog schreiben ;-). Aber ich lasse es nicht zu schlimmen Auswüchsen kommen... glaube ich zumindest, sonst sagt doch einfach Bescheid.
Es ist vermutlich etwas Deutsches. Wenige Dichter und Denker, mehr Richter und Zänker. Und Lehrer; viele möchten gerne Lehrer sein, aber eigentlich sind sie eher leerer, beispielsweise was den guten Ton angeht. Da hat sich die Kanzlerin doch vor nicht allzu langer Zeit irgendwie im Ton vergriffen, als sie Spaniern und Portugiesen empfahl, mehr zu arbeiten. Leider hatte man ihr nicht verklickert, dass die Iberer längst durchschnittlich mehr arbeiten... als zum Beispiel "die Deutschen". Nicht gut... egal, weitermachen.
Das erst Mal richtig bewusst geworden ist mir die Sache beim Kauf meiner zweiten E-Gitarre (soll heißen, ich war nicht mehr ganz doof) im lokalen Musikinstrumentenfachgeschäft, also an einem Ort, an dem ich (zu der Zeit und mit reichlich jugendlichem Leichtsinn) den Klugschiss nicht unbedingt erwartet hätte. Das war noch in der multimedialen Steinzeit, als man Produkte nicht vorher im Web abchecken konnte, sondern noch auf ein wenig Beratung hoffte... und dummes Gelaber bezüglich "eines ultimativen Geräts" serviert bekam. Auf die Gegenfrage, warum denn das besagte Instrument dann im Fachmagazin ganz anders beurteilt wurde, hieß es: "Na, wenn'de das ernst nimmst, ist dir auch nicht mehr zu helfen. Das ist doch für Leute, die gar keine Ahnung haben." Noch im Laden stellte sich heraus, dass die Klampfe genau die Macken hatte, wie im Magazin beschrieben. Da bin ich lieber ohne Ahnung nach Hause gegangen und hab woanders gekauft.
Sehr viel ärgerlicher wird es, wenn das Besserwissen Geld kostet. Wie z.B. bei der Bahn. Da bekommt man beim Ticketkauf am Schalter von unterschiedlichen Mitarbeitern zu unterschiedlichen Zeiten auch schonmal völlig unterschiedliche Antworten. Die Überforderung durch das chaotische Preissystem gleicht der Schaltermensch dann gelegentlich mit einer wahren Belehrungsorgie aus, und doziert über Dinge, die man jetzt eigentlich gar nicht wissen wollte. Und die auch nichts zur Sache tun. Egal, Angriff ist die beste Verteidigung.
Apropos Angriff. Das Schlimmste sind die Oberlehrer im direkten Umfeld. Nachbarn können z.B. zu solchen Wesen mutieren, die zwar wirklich gar nichts (im Sinne von NULL) zum Gemeinwesen beitragen, dafür aber permant belehren müssen. Und die Nachbarn auch schon mal wegen des urdeutschen Vergehens der Ordnungswidrigkeit anzeigen. Ob jetzt 30 Anzeigen in einem Monat psychologisch betrachtet einen pathologischen Befund darstellen, könnt ihr selbst entscheiden. Mit Sicherheit liegt hier das Oberlehrer-Gen in seiner reinsten Form vor. Oder es ist halt irgendwann im Leben mal was so richtig schiefgelaufen. Das mag ja sein, aber Mitleid kann es dann eigentlich nur für die Menschen drumherum geben, Partner und Kinder z.B. können sich doch eigentlich die Kugel geben, wenn in der eigenen Familie solche Lebenswidrigkeit wuchert.
Da bin ich dann froh, wenn ich gelegentlich nur mal einem Fremdwort, einer Satzstellung oder einem Dativ zum Recht verhelfe, und dafür nur ein mildes, liebevolles Lächeln meiner Lieben ernte. Dann weiß ich, dass das ur-deutsche Klugscheißer-Gen wieder mal äusserst aktiv war. Und bin glücklich, dass mir das bereitwillig vergeben wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen