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Dienstag, 15. November 2011

Aromamonster & Killermaschinen

Sie kamen schleichend. Irgendwann waren sie einfach da, erst leicht versteckt in irgendwelchen Ecken, doch dann immer zahlreicher an prominenten Plätzen in den Eingangsbereichen der großen Discounter. Heute sind sie allgegenwärtig im großen R, im großen A und großen L. Sich zu wehren war sinnlos, wir wurden einfach überrannt. Haben wir es eigentlich wirklich gemerkt, was da vor sich ging? Jetzt haben wir den Schlamassel...

Der Angriff kam plötzlich, aber irgendwie erwartet. Man sollte eigentlich bei jedem Wocheneinkauf darauf vorbereitet sein, aber man vergisst ja so schnell. Der Aromastrom aus der kreisrunden Öffnung, die da vor mir auf Gesichtshöhe platziert ist, hat ungefähr den Charakter von Bahnhofsklo plus Hefegegorenem. Den Würgreflex kann ich nur mühsam unterdrücken, aber ich muss weitermachen. Ich versuche, mich in einem veränderten Winkel vor dem Getränkepfandautomaten zu platzieren, aber irgendwie weiß das Miststück, wo ich mich gerade befinde. Da ist es ja einfacher, auf der Wii irgendwelchen schwer untersetzten Ninja-Zwergen auszuweichen.

Am zweiten Automatenmonster neben mir hat sich ein irgendwie nach dauerhaft schwerem Alkoholkonsum aussehender Mittfünfziger mit zwei großen 120-Liter-Müllsäcken positioniert und wirft stoisch eine Plastikbombe nach der anderen ein. Die Herde im Hintergund wird langsam unruhig. Ich lasse mir meine unangebrachte Verachtung nicht anmerken... glaube ich.

Meine aufbrandende schlechte Laune wird befeuert durch die Meldung "Behälter nicht akzeptiert", vermutlich weil das Lesesymbol durch einen einzelnen Regentropfen für den Scanner einfach zu stark entstellt ist. Genervt schiebe ich den leeren Plastikbehälter immer und immer wieder in den Schlund des Mutanten, der mir das Teil beim dritten Versuch mit Nachdruck trotzig vor die Füße spuckt. Bitte, lass es keine emotionale Reaktion einer Maschine gewesen sein. Ich erinnere mich plötzlich an Stephen Kings "Christine", und mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Der fünfte Einwurfversuch ist erfolgreich.

Schnell noch die Wasserkiste in den großen Kasteneinschub unten gestellt, doch weil irgendein Spezi die Wasserflasche Nr. 11 nicht staubtrocken getrunken hat, beschwert sich der Automat mit höchst peinlichen Piepen bei mir. Mensch, das weiß doch jeder, das man auf keinen Fall die Menge eines Esslöffels in einer Wasserflasche lassen darf. Ich sehe mich kurz um, und weil ich merke, dass der Mann an der Kasse mich auf allerhöchstem Niveau ignoriert, verpasse ich der Kiste einen leichten Tritt. Das Band zieht die Kiste ein, der Scanner scannt, die Anzeige blinkt, auf Knopfdruck wird der Pfandbon ausgedruckt. Der Automat quittiert wie üblich aus unbekannten Gründen im Anschluss den Dienst. Die Wasserkiste fehlt in der Übersicht.

Der Kerl an der Kasse ist definitiv mit dem falschen Fuß aufgestanden. Meine höchst freundlich vorgetragene Beschwerde wird mit einem muffeligen "ich weiß ja jetzt gar nicht, ob sie da wirklich eine Kiste drin hatten, gesehen habe ich das nicht" quittiert. Bevor mein ohnehin zu hoher Blutdruck die Angelegenheit in die Abteilung "Föhnfrisur in Jumbo-Jet-Lautstärke" verlegt, deute ich mit dem Finger auf der Schlange der Leidenden, die die ganze Zeit hinter mir gestanden haben. "Aber die haben das gesehen". Die Kasse liegt übrigens dem Pfandautomaten in einer Entfernung von etwa 3,36m gegenüber, und man muss schon sehr kurzsichtig sein, um einen Zwei-Zentner-Kerl mit einem Haufen Leergut im Gepäck gar nicht zu sehen. Ausserdem hätte mein diskutierfreudiger Kassen-Spezi schnell nachschauen sollen, vermutlich hätte er ohne Hilfe der Spurensicherung den Abdruck meiner Sohle auf der Kiste noch identifizieren können. Aber das nur am Rande. Die manuelle Eingabe von EUR 3,60 erfolgt widerwillig, aber sie erfolgt.

Das Einlösen des Pfandbons vergesse ich beim Bezahlen im angeschlossen Supermarkbereich des gleichen Unternehmens und werde in der Folgewoche darüber aufgeklärt, dass man Getränkepfand auch nur im Getränkemarktbereich des Ladens einlösen kann. Das allerdings sehr freundlich, ich will ja hier niemandem Unrecht tun.

Ich behaupte nicht, dass die manuelle Leergutannahme in der 80ern freundlicher erfolgt wäre. Die vermutlich schon seinerzeit ziemlich unterbezahlten Aushilfskräfte hatten in ihren stinkigen Lagerbereichen auch nicht gerade die Dienstleistungsrhetorik erfunden, aber man war bereit, ihnen das auf Grund der Umstände zu verzeihen. Und die Annahme lief definitiv schneller, die entsprechenden Mitarbeiter entwickelten sich zu regelrechten Leergut-Olympioniken, wenn sie tatsächlich einige Wochen in der Abteilung ausgehalten hatten.

Das die Meister des Wegsortierens dann durch Maschinen ersetzt wurden, die vermutlich schon in den Anschaffungskosten vier bis acht Jahresgehälter einer Aushilfskraft auffraßen, war irgendwie nicht so wirklich verständlich. Zumal die Geräte ja alle zwei bis drei Stunden eine Vollmacke entwickeln und deswegen von zwei anwesenden Automaten meistens einer kaputt ist. Okay, das kann man natürlich bei der Bahn auch erleben.

In einer weitaus größeren Filiale der gleichen Supermarktkette erlebe ich dann den totalen Nonsens der Automatisierung. Insgesamt sind vier Geräte völlig chaotisch im Eingangsbereich des Marktes aufgestellt, aber anders als da, wo ich mich gewöhnlich meines Leerguts entledige, können hier die Geräte nur bestimmte Leerguttypen lesen. So habe ich am Ende der Nummer drei verschiedene Pfandbons in der Tasche. Die habe ich dann aber auch nicht vergessen, an der Kasse zur Abrechnung vorzulegen.

Zu guter Letzt möchte ich noch passend zum Thema die Frage meines Kumpels Jens von vor zwanzig Jahren beantworten, der im allerseits schon leicht angetrunkenen Zustand zur Diskussion stellte, ob Leergut nicht eigentlich Leerschlecht heißen müsste. Schließlich wissen wir spätestens seit Giovanni Trapattoni, dass Flasche leer nicht gut ist.
Jens, du hattest Recht. Ich habe fertig.




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