Sie kamen schleichend. Irgendwann waren sie einfach da, erst leicht versteckt in irgendwelchen Ecken, doch dann immer zahlreicher an prominenten Plätzen in den Eingangsbereichen der großen Discounter. Heute sind sie allgegenwärtig im großen R, im großen A und großen L. Sich zu wehren war sinnlos, wir wurden einfach überrannt. Haben wir es eigentlich wirklich gemerkt, was da vor sich ging? Jetzt haben wir den Schlamassel...
Der Angriff kam plötzlich, aber irgendwie erwartet. Man sollte eigentlich bei jedem Wocheneinkauf darauf vorbereitet sein, aber man vergisst ja so schnell. Der Aromastrom aus der kreisrunden Öffnung, die da vor mir auf Gesichtshöhe platziert ist, hat ungefähr den Charakter von Bahnhofsklo plus Hefegegorenem. Den Würgreflex kann ich nur mühsam unterdrücken, aber ich muss weitermachen. Ich versuche, mich in einem veränderten Winkel vor dem Getränkepfandautomaten zu platzieren, aber irgendwie weiß das Miststück, wo ich mich gerade befinde. Da ist es ja einfacher, auf der Wii irgendwelchen schwer untersetzten Ninja-Zwergen auszuweichen.
Am zweiten Automatenmonster neben mir hat sich ein irgendwie nach dauerhaft schwerem Alkoholkonsum aussehender Mittfünfziger mit zwei großen 120-Liter-Müllsäcken positioniert und wirft stoisch eine Plastikbombe nach der anderen ein. Die Herde im Hintergund wird langsam unruhig. Ich lasse mir meine unangebrachte Verachtung nicht anmerken... glaube ich.
Meine aufbrandende schlechte Laune wird befeuert durch die Meldung "Behälter nicht akzeptiert", vermutlich weil das Lesesymbol durch einen einzelnen Regentropfen für den Scanner einfach zu stark entstellt ist. Genervt schiebe ich den leeren Plastikbehälter immer und immer wieder in den Schlund des Mutanten, der mir das Teil beim dritten Versuch mit Nachdruck trotzig vor die Füße spuckt. Bitte, lass es keine emotionale Reaktion einer Maschine gewesen sein. Ich erinnere mich plötzlich an Stephen Kings "Christine", und mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Der fünfte Einwurfversuch ist erfolgreich.
Schnell noch die Wasserkiste in den großen Kasteneinschub unten gestellt, doch weil irgendein Spezi die Wasserflasche Nr. 11 nicht staubtrocken getrunken hat, beschwert sich der Automat mit höchst peinlichen Piepen bei mir. Mensch, das weiß doch jeder, das man auf keinen Fall die Menge eines Esslöffels in einer Wasserflasche lassen darf. Ich sehe mich kurz um, und weil ich merke, dass der Mann an der Kasse mich auf allerhöchstem Niveau ignoriert, verpasse ich der Kiste einen leichten Tritt. Das Band zieht die Kiste ein, der Scanner scannt, die Anzeige blinkt, auf Knopfdruck wird der Pfandbon ausgedruckt. Der Automat quittiert wie üblich aus unbekannten Gründen im Anschluss den Dienst. Die Wasserkiste fehlt in der Übersicht.
Der Kerl an der Kasse ist definitiv mit dem falschen Fuß aufgestanden. Meine höchst freundlich vorgetragene Beschwerde wird mit einem muffeligen "ich weiß ja jetzt gar nicht, ob sie da wirklich eine Kiste drin hatten, gesehen habe ich das nicht" quittiert. Bevor mein ohnehin zu hoher Blutdruck die Angelegenheit in die Abteilung "Föhnfrisur in Jumbo-Jet-Lautstärke" verlegt, deute ich mit dem Finger auf der Schlange der Leidenden, die die ganze Zeit hinter mir gestanden haben. "Aber die haben das gesehen". Die Kasse liegt übrigens dem Pfandautomaten in einer Entfernung von etwa 3,36m gegenüber, und man muss schon sehr kurzsichtig sein, um einen Zwei-Zentner-Kerl mit einem Haufen Leergut im Gepäck gar nicht zu sehen. Ausserdem hätte mein diskutierfreudiger Kassen-Spezi schnell nachschauen sollen, vermutlich hätte er ohne Hilfe der Spurensicherung den Abdruck meiner Sohle auf der Kiste noch identifizieren können. Aber das nur am Rande. Die manuelle Eingabe von EUR 3,60 erfolgt widerwillig, aber sie erfolgt.
Das Einlösen des Pfandbons vergesse ich beim Bezahlen im angeschlossen Supermarkbereich des gleichen Unternehmens und werde in der Folgewoche darüber aufgeklärt, dass man Getränkepfand auch nur im Getränkemarktbereich des Ladens einlösen kann. Das allerdings sehr freundlich, ich will ja hier niemandem Unrecht tun.
Ich behaupte nicht, dass die manuelle Leergutannahme in der 80ern freundlicher erfolgt wäre. Die vermutlich schon seinerzeit ziemlich unterbezahlten Aushilfskräfte hatten in ihren stinkigen Lagerbereichen auch nicht gerade die Dienstleistungsrhetorik erfunden, aber man war bereit, ihnen das auf Grund der Umstände zu verzeihen. Und die Annahme lief definitiv schneller, die entsprechenden Mitarbeiter entwickelten sich zu regelrechten Leergut-Olympioniken, wenn sie tatsächlich einige Wochen in der Abteilung ausgehalten hatten.
Das die Meister des Wegsortierens dann durch Maschinen ersetzt wurden, die vermutlich schon in den Anschaffungskosten vier bis acht Jahresgehälter einer Aushilfskraft auffraßen, war irgendwie nicht so wirklich verständlich. Zumal die Geräte ja alle zwei bis drei Stunden eine Vollmacke entwickeln und deswegen von zwei anwesenden Automaten meistens einer kaputt ist. Okay, das kann man natürlich bei der Bahn auch erleben.
In einer weitaus größeren Filiale der gleichen Supermarktkette erlebe ich dann den totalen Nonsens der Automatisierung. Insgesamt sind vier Geräte völlig chaotisch im Eingangsbereich des Marktes aufgestellt, aber anders als da, wo ich mich gewöhnlich meines Leerguts entledige, können hier die Geräte nur bestimmte Leerguttypen lesen. So habe ich am Ende der Nummer drei verschiedene Pfandbons in der Tasche. Die habe ich dann aber auch nicht vergessen, an der Kasse zur Abrechnung vorzulegen.
Zu guter Letzt möchte ich noch passend zum Thema die Frage meines Kumpels Jens von vor zwanzig Jahren beantworten, der im allerseits schon leicht angetrunkenen Zustand zur Diskussion stellte, ob Leergut nicht eigentlich Leerschlecht heißen müsste. Schließlich wissen wir spätestens seit Giovanni Trapattoni, dass Flasche leer nicht gut ist.
Jens, du hattest Recht. Ich habe fertig.
Vorsicht! Enthält möglicherweise Satire & Ironie in unterschiedlichen Dosen...
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Dienstag, 15. November 2011
Mittwoch, 9. November 2011
Die öffentliche Klärung des Beziehungsstatus
Ich gebe zu, ich hab mich aufstacheln lassen. Es war tatsächlich wieder mal eine dieser unsäglichen Copypastekettenbriefattacken bei facebook, die mir zu denken gab. Vermutlich verfasst von Mitgliedern meiner Generation, wurde über die aktuell pubertierende Facebook-Generation (also quasi unsere Kinder) hergezogen, leider in einem bedenklich semi-adulten Stil und voller beschädigter deutscher Sprache. Gepaart mit den jüngsten Live-Erfahrungen persönlicher Natur kann man das einfach so nicht stehenlassen...
Ca Thriin (Name vom Autor bewusst geändert, könnte wirklich jede 15jährige sein, Ähnlichkeiten zufällig... ehrlich) hat ihren Beziehungsstatus geändert. In einer Beziehung prangt es jetzt auf ihrer Seite, garniert mit einem kleinen Herzchen. Wenig später ist der Auserwählte auch schon multimedial identifiziert: Voll Pfosten95 soll es also sein, zumindest für die nächsten Wochen. Dass die Bilder von zahllosen Sonnenbrillen-Poser-Sessions nicht so richtig zu den jung-weiblichen Kussmund-Orgien passen, ist sicherlich völlig normal. Und auch, dass man das mit 15 ganz schnell seinen Freunden (oder viel wichtiger, Freundinnen) mitteilt ist jetzt eigentlich keinen Artikel wert. Auch wenn man bei FB fast 500 von der Sorte hat.
Bemerkenswert wird die Sache erst, wenn aus dieser Freundesuppe ungefähr 100 Kommentare auf diesen einen Post (der ja nicht mal wirklich einer ist) folgen, von denen zwei Drittel mit "endlich geschafft!" beginnen, als hätte das schmächtige Teeny-Mädchen mit dem etwas zu engen Top gerade eine nordafrikanische Gesellschaft von einem gefährlichen Diktator mit terroristischen Verbindungen in alle Welt befreit. Oder zumindest eigenhändig einen 30-Tonnen-Gummibärchen-Laster den Brenner-Pass hinaufgeschoben. Hätten die nicht wie das restliche Drittel der FBF (Facebook-Freunde) einfach nur gratulieren und ein bisschen Glück wünschen können? Bleibt doch wohl ein ewiger Teenager-Wettstreit, wer macht was zuerst und wenn ja dann wie oft. Okay, ich bekloppter Naiv-Idealo... natürlich wird sich das nie ändern. Lassen wir das also, denn schlimm ist anders.
Schlimm ist, was man an einem eigentlich herrlichen Sonntagmorgen in der viel zu langen Schlange vor dem Bäcker seiner Wahl erleben kann. Eine jugendlich klingende, weibliche Stimme meldet sich etwa drei Meter hinter mir in der Schlange an ihrem Handy, dass gerade mit einer Mischung aus afrikanischem Rhythmus und Walgesängen nach Gehör verlangt hatte. Was zunächst ganz harmlos mit der Klärung des persönlichen Befindens nach einer offensichtlich doch noch etwas heftigen Partynacht beginnt, wächst sich innerhalb von fünf Minuten (!) zu einer psychoanalytischen Gruppenbetrachtung der gesamten Partygesellschaft aus. Dann wird noch eben schnell verbal auf dem Liebsten der Gesprächspartnerin rumgetrampelt ("Also ehrlich, eigentlich habe ich ja nix gegen Thomas..."), ein paar virtuelle Arschtritte in Richtung des eigenen "Stubenhockers" gehen auch noch ab, bevor der wahrscheinlich etwas altersschwache Akku des Nokia-Knochens mit all den wartenden Brötchenholern ein Einsehen hat und seine bevorstehende Arbeitsverweigerung ankündigt. Ich dreh mich noch schnell um... Shit, Generation 40plus am Werk. Ich schäme mich plötzlich.
Und dann fällt mir wieder eine Begebenheit von nicht allzu lange davor ein. Verhaltensweise identisch, Ort unterschiedlich. Da war's dann in der Straßenbahn. Und ich erinnere mich noch gut, wie's mir da schon in der Nackengegend geschauert hat. Warum glauben pseudo-alternative MittvierzigerInnen, dass die Inhalte dieser Telefongespräche für irgendjemanden im öffentlichen Raum von Interesse sind? Und verdammt, warum glauben sie, dass solche Aktionen weniger peinlich sind, als ein bisschen Teeny-Romantik (oder was dafür gehalten wird) bei FB? Sehr tragisch...
Neulich fragt mich dann doch ernsthaft einer, warum ich mich eigentlich weigere, erwachsen zu werden. Bitte sehr, überlegt doch mal ;-)
Ca Thriin (Name vom Autor bewusst geändert, könnte wirklich jede 15jährige sein, Ähnlichkeiten zufällig... ehrlich) hat ihren Beziehungsstatus geändert. In einer Beziehung prangt es jetzt auf ihrer Seite, garniert mit einem kleinen Herzchen. Wenig später ist der Auserwählte auch schon multimedial identifiziert: Voll Pfosten95 soll es also sein, zumindest für die nächsten Wochen. Dass die Bilder von zahllosen Sonnenbrillen-Poser-Sessions nicht so richtig zu den jung-weiblichen Kussmund-Orgien passen, ist sicherlich völlig normal. Und auch, dass man das mit 15 ganz schnell seinen Freunden (oder viel wichtiger, Freundinnen) mitteilt ist jetzt eigentlich keinen Artikel wert. Auch wenn man bei FB fast 500 von der Sorte hat.
Bemerkenswert wird die Sache erst, wenn aus dieser Freundesuppe ungefähr 100 Kommentare auf diesen einen Post (der ja nicht mal wirklich einer ist) folgen, von denen zwei Drittel mit "endlich geschafft!" beginnen, als hätte das schmächtige Teeny-Mädchen mit dem etwas zu engen Top gerade eine nordafrikanische Gesellschaft von einem gefährlichen Diktator mit terroristischen Verbindungen in alle Welt befreit. Oder zumindest eigenhändig einen 30-Tonnen-Gummibärchen-Laster den Brenner-Pass hinaufgeschoben. Hätten die nicht wie das restliche Drittel der FBF (Facebook-Freunde) einfach nur gratulieren und ein bisschen Glück wünschen können? Bleibt doch wohl ein ewiger Teenager-Wettstreit, wer macht was zuerst und wenn ja dann wie oft. Okay, ich bekloppter Naiv-Idealo... natürlich wird sich das nie ändern. Lassen wir das also, denn schlimm ist anders.
Schlimm ist, was man an einem eigentlich herrlichen Sonntagmorgen in der viel zu langen Schlange vor dem Bäcker seiner Wahl erleben kann. Eine jugendlich klingende, weibliche Stimme meldet sich etwa drei Meter hinter mir in der Schlange an ihrem Handy, dass gerade mit einer Mischung aus afrikanischem Rhythmus und Walgesängen nach Gehör verlangt hatte. Was zunächst ganz harmlos mit der Klärung des persönlichen Befindens nach einer offensichtlich doch noch etwas heftigen Partynacht beginnt, wächst sich innerhalb von fünf Minuten (!) zu einer psychoanalytischen Gruppenbetrachtung der gesamten Partygesellschaft aus. Dann wird noch eben schnell verbal auf dem Liebsten der Gesprächspartnerin rumgetrampelt ("Also ehrlich, eigentlich habe ich ja nix gegen Thomas..."), ein paar virtuelle Arschtritte in Richtung des eigenen "Stubenhockers" gehen auch noch ab, bevor der wahrscheinlich etwas altersschwache Akku des Nokia-Knochens mit all den wartenden Brötchenholern ein Einsehen hat und seine bevorstehende Arbeitsverweigerung ankündigt. Ich dreh mich noch schnell um... Shit, Generation 40plus am Werk. Ich schäme mich plötzlich.
Und dann fällt mir wieder eine Begebenheit von nicht allzu lange davor ein. Verhaltensweise identisch, Ort unterschiedlich. Da war's dann in der Straßenbahn. Und ich erinnere mich noch gut, wie's mir da schon in der Nackengegend geschauert hat. Warum glauben pseudo-alternative MittvierzigerInnen, dass die Inhalte dieser Telefongespräche für irgendjemanden im öffentlichen Raum von Interesse sind? Und verdammt, warum glauben sie, dass solche Aktionen weniger peinlich sind, als ein bisschen Teeny-Romantik (oder was dafür gehalten wird) bei FB? Sehr tragisch...
Neulich fragt mich dann doch ernsthaft einer, warum ich mich eigentlich weigere, erwachsen zu werden. Bitte sehr, überlegt doch mal ;-)
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