Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 14. Dezember 2012

Life according to Momo | Aus dem Tagebuch einer vierbeinigen Diva

Ich, auf meinem Thron
Gestatten - ich bin Momo, jedenfalls nennen mich die Zweibeiner so. Meinen kätzischen Namen könnten sie eh nicht aussprechen, deswegen erwähne ich ihn auch gar nicht. Ich bin etwa drei Jahre alt und komme vom Land, habe mich aber dazu entschlossen, in der Stadt zu leben. Zu Hause sind wir vier, manchmal auch fünf, oder sogar noch mehr. Dazu später mehr. Meine Haupbeschäftigungen sind fressen, schlafen, fressen, jagen, fressen....in exakt der Reihenfolge, oder auch umgekehrt.

Ich habe mir ein Reich ausgesucht, dass sehr viele Vorteile bietet. Meine Mama wollte damals noch, dass ich mit ihr über die Felder ziehe, aber ich hab ihr schnell verklickert, dass daraus nichts wird. Ich hab früh gewusst, dass in der Stadt ein Ort auf mich wartet, der sehr viele Vorteile bietet (inkl. Vollversorgung). Die Zweibeiner, die mich in mein Schloss geholt haben, sind eigentlich okay. Manchmal vielleicht ein bisschen komisch, aber das sagen ja alle Kollegen über ihre Bediensteten, insofern ist das nicht ungewöhnlich.

Drei Zweibeiner sind jeden Tag da. Die Kleine hat keine festen Zeiten, was mich maßlos irritiert. Die taucht plötzlich aus dem Nichts auf und verschwindet manchmal genauso schnell wieder, wie sie erschienen ist. Sie hätte das Zeug zur Katze. Und dann drückt sie mich zwischendurch immer ganz fest, ich glaub, die mag mich irgendwie. Manchmal bringt sie Einen mit, der mit mir spielt und tobt, was cool ist, denn mir ist beim Herrschen häufig langweilig.

Die Große ist total lieb, aber sie will immer kuscheln. Ich tue dann so, als würde es mir gefallen, aber in Wahrheit ist es total langweilig. Manchmal rennt sie auch hinter mir her, das ist viel cooler, schließlich bin ich Teenager...und auf's Sofa legen kann ich mich ja später immer noch.

Der Alte ist echt schwierig. Er hat feste Vorstellungen davon, wie das hier mit unserer Beziehung läuft, und hat als einziger noch nicht vollständig akzeptiert, dass ich hier der Chef bin. Okay, er ist ein prima Dosenöffner, aber er meckert auch viel rum, z.B. wenn ich mal auf meiner Arbeitsplatte in meiner Küche nachschaue, ob er da nicht was zu fressen vergessen hat. Hat er nämlich häufig, weil er gelegentlich mal verdrängt, dass ich einen Anspruch auf so Sachen wie Fleischsoßenreste habe. Aber ich bin zuversichtlich, den kriege ich noch hin, er ist ja lernfähig.

Alles in allem habe ich gute Angestellte, die ja sogar in meinem Haus wohnen dürfen. Und ganz ehrlich....ohne sie wäre mir fürchterlich langweilig. Aber ich werde den Teufel tun und ihnen das stecken, die werden sonst noch verwöhnt. Allerdings haben sie komischerweise viele verschiedene Begriffe für Dinge, die alle die gleiche Funktion ausüben. So sagen sie so Sachen wie Sofa, Sideboard, Stuhl, Sessel, Hocker, Umzugskarton, Kratzbaum oder Wohnzimmertisch zu allem, was eigentlich ein Bett ist. Da sind die irgendwie merkwürdig, ich glaube aber, sie wollen einfach ihren überlegenen Intellekt zur Schau stellen. Ich lach mich tot, hahahahahaha. Der Alte hat ja noch nicht einmal geschnallt, dass ich ihn darauf dressiert habe, mir spät abends noch einen Snack zur Verfügung zu stellen, obwohl ich eigentlich nix mehr kriege (was ne Sauerei ist). Der merkt echt nicht viel...

Übrigens scheinen die Zweibeiner auch ganz komische Ängste zu haben. Ich versteh das gar nicht, aber irgendwie haben sie nichts übrig für Geschenke, die ich ihnen mit nach Hause bringe. Dabei gibt es doch nichts Besseres, als dass man kleine Flug- und Bodenwesen (ich nenn sie jetzt mal zärtlich Opfer) mitgebracht bekommt. Und schließlich sind die ja auch noch am Leben, wenn ich damit heimkomme, ich mach die ja nicht sofort platt. Da ist es schon etwas enttäuschend, denn das mache ich ja nur aus Zuneigung, echt jetzt. Ich hab euch doch schon irgendwie lieb, aber ich weiß nicht, wie ich es sonst noch zeigen sollte. Daran müssen wir wirklich noch arbeiten.

Opfer
Opfer gibt es übrigens reichlich in der Umgebung. Die meisten krabbeln am Boden rum und denken, sie wären sicher, weil die Kollegen wirklich sehr faul sind. Seit ich da bin, weht hier ein anderer Wind. Ich hab denen erstmal gezeigt, wie wir Landeier das machen. Die Anderen sind dann nach Hause gegangen, sich 'ne Dose aufmachen lassen. Faules Pack. Nun gut, so bleiben mehr Opfer für mich.

Die Zweibeiner haben auch Freunde, von denen einige immer die anderen, kläffenden Vierbeiner mitbringen; ich nenne sie jetzt mal liebevoll Unterwesen. Die Unterwesen wollen immer spielen. Das ist prinzipiell eine gute Sache, aber diese Vollpfosten wissen einfach nicht, wann mal Schluss ist. Das nervt dann gewaltig. Okay, aber die Aufmerksamkeit ist meistens das Entgegenkommen wert.

Auf beiden Seiten wohnen auch noch Unterwesen nebenan. Der große Blonde ist total cool und interessiert sich nicht besonders für mich....was ich gelegentlich auch nicht gut finde. Der kleine Schwarze hat nicht alle Latten am Zaun. Zuerst dachte ich, es läge an der natürlichen Antipathie zwischen unseren Völkern, aber jetzt weiß ich, dass der Chaot wirklich alles ankläfft, was sich bewegt. Oder auch nicht bewegt, je nachdem. Das Teil gehört in Therapie, echt jetzt.

Apropos Nachbarn: In meiner Hood leben auch jede Menge anderer Homies. Digger & Digger von zwei Eingängen weiter sind sehr launisch und auch schon älter, aber wollen meistens keinen Stress, deswegen kommen wir klar. Ihr Zweibeiner ist so dämlich, dass der tatsächlich ein Loch in seine Terrassentür gesägt hat, so dass mich ich ab und zu mal über den örtlichen Napf hermache. Geile Sache. Mit Bro & Sis von der Straße vorne ist das schon schwieriger. Ich dachte, die fänden vielleicht die "same generation, let's play" Nummer lustig, aber die beiden sind ziemlich humorlos und machen lieber einen auf Gangztaaaa. Ich versuch's trotzdem weiter, die werden schon kapieren, dass ich hier die geilste Schnitte weit und breit bin. Momo from da block....yeah.

Die anderen Kollegen aus der Nachbarschaft rangieren irgendwo zwischen fauler Sack und Serienkiller, sehr stark tagesformabhängig. Ich hab immer gedacht, wir könnten mal zusammen einen drauf machen, aber die Spezies sind doch irgendwie sehr für sich und sehr speziell. Okay, logisch....nicht jeder kommt mit einem echten Star klar, ich versteh das. Nee, wirklich jetzt, ich mein das ernst....i'schwör!

So, jetzt muss ich aber auch los, die Tage werden kürzer, und immer häufiger fällt irgendso'n feuchtes Zeug vom Himmel (neuerdings auch in weiß). Das ist total ätzend, ich weiß nicht, wieso sich die Vierbeiner so'ne Scheiße ausgedacht haben. Ich weiß nur, dass sie Schuld sind. Ganz sicher. So wie an den meisten Dingen, die in dieser Welt irgendwie nicht rund laufen. Cheers.

Freitag, 30. November 2012

Fahr los, Alter... | Der Versuch einer Mobil-Typologie


Ich habe ja lange Zeit nicht an ein Klischee geglaubt. Ich wollte mich den Stereotypen verweigern, ganz ehrlich. Es kann ja nicht sein, dass man bestimmte Charaktere und sogar typischerweise Berufsgruppen einem bestimmten Fahrzeug zuordnen kann. Doch je älter man wird, desto eindeutiger werden die Hinweise. Und mit der Zeit stellt sich sowas wie ein gefühlt-empirischer Beweis ein. Quasi von ganz allein, ohne dass man noch mal an der Klischeesuppe rühren müsste. 

Hier nun das vorläufige Endergebnis, der Versuch einer Typisierung, ohne Gewähr für die Relevanz der Daten. Aus dem Bauch heraus quasi, und wer sich dabei irgendeinen Schuh anziehen möchte....bitte sehr :-) Asiatische Klein(st)wagen, Golf und Astra habe ich (überwiegend) weggelassen, die werden von zu vielen sehr unterschiedlichen (auch was die Vernunft angeht) Leuten genutzt. 

VW Passat (auf der Autobahn)
Choleriker (wie jetzt, das ist kein Beruf?), der mit seinem Firmenwagen unterwegs ist. Ungeduldig, leicht reizbar...Lichthupe und/oder Blinker immer im Anschlag.

VW Passat (mit fremdem Kennzeichen in deiner Stadt)
s.o., nur dass er in der Stadt noch dichter auffährt. Die Tatsache, dass du ihm Rückspiegel die Schweißperlen auf seiner Stirn sehen kannst, interessiert ihn genauso wenig, wie der Umstand, dass seine Klimaanlage quasi eine Standleitung zu deinem Auspuff aufgebaut hat.

VW Passat (mit einheimischen Kennzeichen in deiner Stadt)
Entweder wie oben, aber auch häufig Typ Familienvater. Letzterer nervt vor allem gerne durch 45 fahren, wo 50 erlaubt ist.

Mercedes E-Klasse
Von mittelständischem Unternehmer bis Zahnarzt alles dabei, was einigermaßen Kohle angehäuft hat. Je mehr Kohle, umso größer der Motor. Gemeinsam ist ihnen der Drang, anderen Verkehrsteilnehmer mit wachsender Begeisterung die Vorfahrt zu nehmen. Erlaubt ist, was funktioniert.

Mercedes 190 (alt...)
Rentner...definitiv! Fährt fast überall 30, allerdings auch in der Spielstraße, wo nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist...schließlich war er ja auch vorher die ganze Zeit langsam. 

Porsche Cayenne
Zahnarzt, Fußballprofi oder Drogendealer, ist aber wegen der getönten Scheiben meist nicht eindeutig zu erkennen. Bewegt sich aus unerklärlichen Gründen meist sehr viel zurückhaltender im Straßenverkehr, als die Stärke hergeben würde.

Audi A4
Kaufmännischer Angestellter, häufig frustriert wegen fehlender Aufstiegsperspektive, daher sehr aggressiv, sowohl beim Bremsen als auch beim Gas geben. Abstand halten, sehr gefährliche Spezies, besonders, wenn die Kiste tiefer gelegt wurde!

Audi A8 / VW Phaeton
...was interessiert mich die Welt, ich lebe auf meiner Insel und zuckel gleichmäßig durch die Gegend. Ups...schon 50? Der Tempomat regelt das. Geschäftsführer, mindestens....

Toyota Aygo
Kaufmännischer Angestellter (Zweitwagen). Mutti hat heute mal den Audi genommen, und in der Stadt ist ja die Reisschüssel eh viel praktischer. Was nicht heißt, dass er nicht wie der letzte Vollhonk damit durch die Gegend brettern kann. Kann er...

Peugeot 107 / Citroen C1
Kaufmännische Angestellte, die sich über den Trottel kaputtlacht, der den teureren Aygo gekauft hat. Natürlich hat sie vorher gründlich im Web recherchiert und gelernt, dass alle drei Autos aus der gleiche Fabrik laufen. Fährt fast immer sicher und aufmerksam, es sei denn, sie wird durch nen nervigen Begleiter (Audi-Typ, kann er sich aber noch nicht leisten) oder dauerquasselnde Begleiterin(nen) abgelenkt. Dann fällt sie auch schon mal durch plötzliche Lenk- und/oder unmotivierte Bremsmanöver auf.

BMW 3er
Schüler/Azubi. Während der südländische Typ mit an Komik grenzender Coolness (eyh, Alttaa, was geht?!) vorzugsweise zur Disse cruised, ist der nord-europäisch dreinblickende Protagonist (eyh, Alddaa, was gäääähhhddd?!) am liebsten dauerhaft zu schnell unterwegs....und glaubt, das wäre cool. Tragisch ist dabei häufig, dass der Erstere weiß, was Protagonist bedeute, während Letzterer denkt, das hätte was mit einer unangenehmen Untersuchung beim Urologen zu tun.
Oder schaut bei A4 nochmal nach...

BMW 5er
siehe A4....wobei allerdings grundsätzlich (wie bei allen BMW) ständig alle Blinker ausgefallen sein müssen. Wie wären die nicht angezeigten Spurwechsel in der Masse sonst zu erklären?!

BMW7er
siehe A8/Phaeton oder Porsche Cayenne, merkt dann allerdings irgendwann, dass der BMW so dermaßen voller Elektronik ist, dass durch den elektromagnetischen Impuls auch schon mal die Straßenbeleuchtung flackert.

Renault Kangoo / Citroen Berlingo
Bioladenbetreiber, Hundetrainer oder Hausfrau und/oder Mutter. Fährt aus ökologischen Gründen immer und überall fünf bis zehn km/h langsamer als erlaubt. Rückspiegel sind ihm/ihr völlig unbekannt, warum auch, ich zeige ja durch den Blinker an, was ich vorhabe. Das Auto ist meist nach Jahren der Benutzung immer noch in gutem Zustand, da dieser Verkehrsteilnehmer von Haus aus eigentlich Fahrradfahrer ist. Strecken unter fünf Kilometer werden nie mit dem Auto zurückgelegt, leider ist der anthroposophische Kindergarten oder die Waldorfschule auch schon mal ganz schön weit weg vom Szene-Viertel. 

VW Bulli (Transporter)
Besitzer von älteren Fahrzeugen sind alles, vom Pädagogen bis zum Ingenieur. Aber sie bsateln halt gerne. Moderne Transporter befinden sich in der Regel in der Hand von erfolgreichen Kleinunternehmern mit Familie, ist dann jedoch über die Firma geleast, denn eigentlich ist ein neuer Transporter quasi unbezahlbar (es sei denn, man lässt bis auf den Motor alles weg). Als Verkehrsteilnehmer überwiegend entspannt, kann aber jede Art von Mercedes- und BMW-Fahrer nicht leiden. Und schaltet deswegen gerne mal auf stur. Was geht, weil so'ne Schrankwand ganz schön groß sein kann, wenn sie erstmal im Weg steht.

Fiat Panda
Schüler/Azubi/Studenten/junge Angestellte/Zweitwagen für Hausfrauen. Weibliche Eigentümer betrachten ihren Panda als süß, männliche als Müllhalde. Während die Frauen froh sind, ein so praktisches Auto zu fahren, verachten sich junge Männer selbst für ihren Pizzadienstwagen. Manch einer soll es schon mit Selbst-Sabotage versucht haben, leider ist der Panda vermutlich der erste Fiat überhaupt, der quasi unverwüstlich ist. Die Legende erzählt von welchen, die nach Jahren in der Sahara aus einer Sanddüne wieder auftauchten und spontan ansprangen. Na, ich weiß nicht...

Smart ForTwo
Selbstständige Dienstleister, die auf Mobilität angewiesen sind, etwa Hauspflegekräfte, mobile Massagedienste oder Ähnliches. Das geleaste Fahrzeug wird fast immer auch privat genutzt, und der Miniatur-Kult verleitet die Fahrer zu den aberwitzigsten Manövern. Das Querparken in dafür nicht geeigneten Parkbuchten ist nur der Anfang, man kann jeden Tag irgendwo mindestens einen Smart neben einem Fahrradständer auf dem Fußweg sehen, "er nimmt ja soooo wenig Platz weg." Was ja grundsätzlich stimmt, trotzdem darf er nicht auf den Fußweg. Diskussion über solche "Kinkerlitzchen" sind sinnlos.

Mini
Junge Angestellte, ältere Hausfrauen (dann meist Drittwagen). Laut Werbung sind Mini-Fahrer Individualisten, im wahren Leben eher sympathische Spießer mit Geld. Der Mini-Mensch bricht selten Regeln, er steht sogar auf dem Supermarktparkplatz völlig korrekt innerhalb der Markierungen. Die meisten Minis sehen immer aus, wie aus dem Ei gepellt, wahrscheinlich alles Garagenwagen.

VW Eos
Beruflich erfolgreiche Frauen, denn den muss man sich erstmal leisten können. Eigentlich nur ein Kleinwagen, aber eben mit allerlei drum und dran. Und unübersichtlich muss er sein, denn am Straßenrand geparkt, steht er meistens mindestens einen halben Meter von der Bordsteinkante entfernt. Und gerade steht er auch nicht. Fällt im Straßenverkehr nicht auf, sondern eben nur beim Parken....da steht er dann, irgendwie, irgendwo.

Volvo XC60
Unternehmer oder Architekt, Mitte 40 bis Anfang 60. Eher Understatement-Typ, im Straßenverkehr unauffällig und angepasst. Auf dem Parkplatz zeigt sich dann erst, wie groß die Kiste eigentlich wirklich ist. Dann ärgert sich der Besitzer, dass er nicht doch einfach den geil ausgestatteten Mini genommen hat.

Opel Zafira/Meriva, VW Sharan/Touran oder jeder andere Mini-Van
Pädagogen oder Angestellte oder angestellte Pädagogen jeder Art und Gute, aber mit Familie. Denn schließlich gibt es sonst kein Argument, ein so sperriges Teil durch die Gegend zu kutschieren. Fährt unauffällig durch die Gegend, kommt aber an so mancher Ampel nicht in Gang. Meistens dann, wenn ich direkt dahinter bin...


Ich hör jetzt auf, man könnte immer weiter machen. Vermutlich funktioniert sowas auch nur im autoversessenen bzw. -verrückten Deutschland. Oder ich bin einfach irgendwie in letzter Zeit zuviel Auto gefahren, vielleicht sollte ich lieber wieder die Straßenbahn benutzen. Dazu fällt mir dann bestimmt auch erst was auf und danach was ein. Ganz sicher...

P.S.: Bevor einer fragt --- wenn ich fahr, fahr ich Twingo. Unauffällig für die anderen Verkehrsteilnehmer, unerträglich für die Mitreisenden...schließlich muss ich mich ja über die Anderen ordentlich aufregen.




Donnerstag, 12. Juli 2012

Rad ab?

oder - Vielleicht bin ich ja schon wieder nicht nicht Teil der Zielgruppe...

Ich gebe es schonmal profilaktisch zu: Eigentlich bin ich ein OPEL-Fan. Das habe ich von meinem Vater (manche sagen, nicht nur das). In meinem Teenager-Bewusstsein war der Opel Ascona der klassische Prototyp eines Autos. Das erste Auto, das ich selber fahren durfte, war Papis Omega, und den musste man einfach lieben. Und jetzt machen die das....aber fangen wir mal lieber von Vorne an.

Eigentlich fing alles ziemlich gut an. Der deutsche Traditions-Autobauer, der seine Seele schon vor vielen Jahren an einen amerikanischen Chaos-Konzern verkauft hatte, steckte wieder mal knietief im Schlamassel. Das hatte natürlich mit der globalen Finanzkrise, aber auch mit der Existenz am Goodwill-Tropf der Kraken-Mutti zu tun, die eigentlich über Jahrzehnte nichts besseres zu tun hatte, als Know-How abzuzapfen und gleichzeitig immer wieder benötigte Investitions-Millionen zu streichen. Doch OPEL, als Musterbeispiel des industriellen Stehaufmännchens, schüttelte mit dem Insignia ein Fahrzeugdesign aus dem Ärmel, das in den Köpfen offensichtlich funktionierte. Und clevererweise übertrug man wesentliche Design-Elemente auf die kleinere Modellreihe Astra, blieb im Bewusstsein der Autofans und hielt sich über Wasser. Der Corsa lief ja auch noch ganz gut.

Angesichts der allgemeinen Kleinstwagen-Euphorie und den entsprechenden Entwicklungen der Konkurrenz, begann man auch in Rüsselsheim sehr gründlich an einem Konzept für dieses Fahrzeugsegment zu arbeiten. Wirkten die ersten durchgesickerten Design-Versuche noch etwas klobig, kamen mit dem irgendwo aufgeschnappten Namen Allegra (ital.: die Fröhliche) auch ein paar ansehnliche Computerbilder eines schnittigen Zwerges mit den typischen Design-Elementen der größeren Schwestern/Brüder in den medialen Umlauf. Alles wirkte konzeptionell total stimmig, doch irgendwie muss irgendjemand irgendwo sehr unzufrieden gewesen sein.

Unter der Leitung des sehr dynamischen britischen Selbstbräuner-Schnuckelchens Katie arbeitet im Hintergrund ein pan-kulturelles Marketing-Ensemble an der Zerstörung des Hypes. Erste Attacke der Werbe-Guerilla sollte das Wegführen der potentiellen Kunden von dem längst akzeptierten Namen Allegra sein. Fortan lief das Projekt unter dem etwas einfallslosen Namen Junior. Aha, es wird also doch ein Junge unter all den Mädchen.

Da der potentielle Kundenkreis mutmaßlich zu einem Großteil unter den Jüngern von facebook vermute wurde, kam es auch hier zur Aufführung der Vorstellungsorgie. Wer jetzt genau für den Auftritt des infantilen Sprechblasen-Zirkus verantwortlich ist, spielt eigentlich keine Rolle, das Teil hinterließ aber bei Autokäufern über 12 Jahren einen irgendwie merkwürdigen Nachgeschmack im Abgang.

Den Vogel schoss die marktorientierte Krabbelgruppe aber mit der Enthüllung des wahren Namens für das neue Auto ab. Als Riesending bei fb angekündigt, folgte dann (bäm!) mit der Enthüllung des Namens ADAM erst Ernüchterung beim Publikum und dann ein Shitstorm der Auto-Fans. Ob Gründungsvater Adam Opel über ein Modell mit Namen OPEL ADAM  hätte lachen können, lässt sich glücklicherweise nicht mehr feststellen. Feststellen ließ sich aber, dass man in dem semi-debilen Comic die Rechtfertigung gleich mit eingebaut hatte: Adam sei technisch und spritzig (ich fand's eher biblisch), und Allegra sei langweilig und tot (...und deswegen auch in Italien und den USA einer der beliebtesten weiblichen Vornamen --- Mensch, ich dachte ihr habt gegoogelt). Außerdem sei dieses Fahrzeug ja auch total anders...wer wollte das eigentlich?

Wie ich selbst, wird kaum jemand mit dem Namen eines solchen Autos nicht so richtig warm. Die per facebook-Kommentar gelieferte Empfehlung, den Namen doch lieber englisch auszusprechen, wenn er einem auf deutsch zu bieder klingt, wirkt dabei genauso hilflos wie das gebetsmühlenartige Wiederholen des Statements, dass ADAM anders sei. Ist er nicht, es gibt ähnliche Konzepte bereits von anderen Herstellern.

Konsequenterweise zog OPEL mit dem Namen auch noch eine Design-Änderung durch, die dem Zwischenentwurf mit dem markanten Knick auch noch die Konturen nahm und das ganze Modell irgendwie verniedlichte. Dummerweise dürfen Sechsjährige kein Auto fahren, es sei denn, es passt in eine Streichholzschachtel.

Was derweil im Marketing-Spielkreis bei den Mädels und Jungs vom ADAM-Projekt abgeht wird nicht von einem Comic belegt. Aber eins sag ich dir, OPEL: Halte dir den Christoph warm, der hatte gleich Widerworte und berechtigte Zweifel. Und erinnere dich, dass du Autos baust....das mit den Nähmaschinen ist wirklich lange vorbei.

Zwanghaftes Anders-Sein war noch nie wirklich authentisch, Coolness erwächst aus Glaubwürdigkeit. Ist so. Oder ich hab's vielleicht wieder nicht richtig verstanden.

Freitag, 29. Juni 2012

Stereotype Stereo-Typen

oder die unerträgliche Leichtigkeit des Scheins


Der Donnerstag brachte etwas auf meinen Bildschirm, das irritierend auf mich wirkte. Nein, ich meine nicht das EM-Halbfinal-Aus der deutschen Mannschaft gegen Italien. Das war ja nach dem überheblichen Medien-Hype der letzten Wochen - die BLÖD-Zeitung an vorderster "Front" maßgeblich beteiligt - irgendwie zu befürchten. Was ich meine, ist ein Video (All Work and All Play), dass IBM Social Business Deutschland bei facebook geteilt hat. Es geht um die sogenannten Millennials (auch Generation Y genannt), also die Generation, die im Jahr 2010 zwischen 20 und 30 Jahre alt war. Meine Irritation versuche ich mal zu erklären...

All work and all play from Box1824 on Vimeo.

Generation X war ich eigentlich schon nicht mehr, die emotionsbefreiten Yuppies waren älter und mir ein Gräuel. Generation Y gab es noch nicht. Ich war vielleicht Generation XY (ungelöst), gefangen zwischen den Welten. Okay, schon gut...Drama-Modus = aus.

Anfang der 90er tauchten AIESEC-Mitglieder bei uns im geisteswissenschaftlichen Trakt der Uni auf. Die erklärten uns, warum wir Geisteswissenschaftler die idealen Management- und Consulting-Typen der Zukunft werden. Man billigte uns fachübergreifend Attribute zu, die angeblich für die zu der Zeit absehbare Entwicklung in fast allen Wirtschaftsunternehmen ein den folgenden Jahren eine Rolle spielen sollten. Es ging dabei um Kommunikations- und Konzeptionskompetenzen jenseits abstrakter Wirtschaftslehre. Der streng betriebswirtschaftlich orientierte "Formelcharakter" würde durch eine gute Mischung aus BWL-Profis, Juristen und kommunikationsstarken Geisteswissenschaftlern aus den Planungsetagen "gewaschen". Warum ausgerechnet AIESEC uns diese Täuschung ins Gebäude stellte, ist mir bis heute nicht klar. Die kommunikationsstarken Geisteswissenschaftler finden sich jedenfalls nicht in dem prognostizierten Triumvirat.

Heutzutage überlässt man die Prognose den Profis. Das angesprochene Video wurde auf Basis mehrerer Studien der brasilianischen Trendforscher von Box1824 zusammengestellt. Der einführende Text sagt zwar, dass es sich um ein nicht kommerzielles Projekt handelt, doch Box1824 arbeitet bei der Trend- und Innovationsforschung überwiegend natürlich schon für Marken und Produkte, um deren Akzeptanz in jeweiligen Märkten und Zielgruppen anhand sozialrelevanter Kriterien herauszufiltern. Insofern verwundert es vermutlich niemanden, dass hier eine stereotype Charakterisierung der Millennials stattfindet. Es stimmt mich allerdings nachdenklich, dass der Schein erweckt wird, es würde sich um ein Massenphänomen handeln und nicht bloß um eine konsumrelevante Bildungselite. Da muss man schon sehr genau zuhören, um das in dieser Darstellung zu entdecken.

Was man sich demnach als Prototyp des Millennials vorstellt, ist beispielsweise der Cargohose tragende Mittzwanziger, der mit MacBook, Skateboard und DJ-Kopfhörer bewaffnet während des zweiten Kurzfrühstücks online eine Projektplanung mit Partnern in aller Welt durchzieht. Jeder der Partner ist ein kleiner Zuckerberg, auch die Frauen, und wegen des ausserordentlichen Erfolgs des Online Business, dass auch jeder einzelne betreibt, ist die semi-infantile Freizeitgestaltung zum Ausgleich aufwendig, risikoreich und spaßorientiert. Das Klischee erfreut sich bester Gesundheit. Und die Marketing-Abteilungen der Konzerne können ihr Budget öffnen und bei den Trendspezialisten den Zuschnitt ihres Produktes auf diese Zielgruppe durchspielen lassen. Die Generation Chips schaut derweil buchstäblich in die Röhre. Aber die könnten sich die relevanten Produkte eh nicht mehr leisten. Der potentiellen Zielgruppe indes wünsche ich,  dass sie dann auch tatsächlich und kaufkräftig existiert und die Prognose wirklich zutrifft. Und nicht von den klassischen Wirtschaftsunternehmen in ein Einzel- oder Nischendasein gezwungen wird.

Bei all der Ironie möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass das Video typische Charakteristika soziokultureller Entwicklungen der letzten Jahrzehnte durchaus treffend skizziert. Nur eben nicht vollständig, sondern selektiv. Aber das ist auch interessant.

Und, ja - es hat mich sehr wohl irritiert, was Jogi Löw da am Donnerstagabend auf den Platz gestellt hat. Kann ich ruhig zugeben - ich hatte gleich ein schlechtes Gefühl.

Dienstag, 12. Juni 2012

Kampfradler vs. Krampfadler

oder auch "Die Überschreitung der Grenzen des politisch Korrekten"


Der Ramsauer Peter hatte wieder mal zugeschlagen. Unvermittelt und aus der Hüfte lieferte er die Steilvorlage für die Mutter aller Stammtischgespräche - Kraftfahrzeug vs. Radkraftzeugs.

Inhaltlich war der Ausraster des Ministers natürlich im Prinzip völlig wertlos, denn wie unter Autofahrern, Rauchern und Kinobesuchern gibt es auch unter Radfahrern asoziale Idioten, die sich einfach nicht an ein paar Regeln halten möchten - Egozentriker, die ihr narzistisches Gedankengut hegen und pflegen. Bemerkenswert war die Tatsache, dass sich hier ein - zugegebenermaßen gelegentlich streitbarer - Bundesminister öffentlich in den Bereich der verbalen Inkontinenz vorwagte. Und dafür gleichermaßen Spott und Beifall erntete. Das politisch Korrekte ist einfach zu langweilig geworden.

Ob kalkuliert oder nicht, Ramsauers verbale Entgleisung spiegelt im Prinzip die Real- Kommunikation 2.0 wieder, die dank moderner Medien schneller und verbreiteter stattfindet als jemals zuvor. Die traditionellen Medien haben (im klassisch humanistisch-deutschen, pseudo-journalistischem Marketing-Sinn korrekten Ansatz) seinen eher niveaulosen Vorstoß als Anlaß zur Diskussion über die tatsächliche Relevanz von Fahrrad-Aggros und die gesellschaftliche Dimension der Angelegenheit genommen und bei diversen Möchtegern-Jauchs im Beisein von selbst-ausgewiesenen Experten ausgeschlachtet. Hätte der umtriebige Verkehrs-Peter allerdings bei facebook derart vom Leder gezogen, wäre er vermutlich als Troll gelabelt worden. Die werden in der virtuellen Partybox ja meistens ausgegrenzt, ohne dass sie das jemals mitbekämen. Das ist ja das Schöne, man muss sich dort nicht zu seinen Abneigungen bekennen.

Einige der Trolle haben übrigens ohnehin einen neuen Spielkreis gefunden. Die Piratenpartei musste einige von ihnen aufnehmen, die seither den intellektuell kreativer ausgestatteten Parteifreunden virtuell ans Bein pissen. Den Fehler im System hat sich der Politikverein der Web-Affinen allerdings selbst zuzuschreiben. Die offensiv ausgegebene "Wir-nehmen-jeden" Ansage haben auch die Hafensänger und Klugschnacker verstanden, die mit politischen Programmen und grundsätzlichen Idealen sonst überfordert sind. Sorgen machen müssen wir uns um die Piraten indes nicht, denn sie werden zu ihrer Programmatik finden und Linien entwickeln, die die Trolle im Lauf der Zeit überfordern.

Währenddessen kreist der deutsche Reglementierungs-Adler über der Szenerie und versucht, die Lage irgendwie durch noch mehr Ordnung und Komplexität in den Griff zu bekommen. Die Chancen dazu sind glücklicherweise langfristig schlecht.