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Freitag, 26. Juli 2013

AutoStadt - ein Ausflug mit Felgen


Ich bin kein Autonarr. Aber ich finde jegliches Fahrzeug-Design irgendwie spannend, die Technik, mit der Mobilität für Menschen hergestellt wird. Das ging früh los. Wegen der Liebe zu nächtlichem Straßenverkehr hätte ich im Alter von drei Jahren fast das Augenlicht verloren. Ich habe keinerlei Erinnerung an den Vorfall, meine Eltern schon. Was natürlich an den Unmengen von Blut gelegen haben kann, dass dem kleinen Car Spotter am Gesicht herunter lief. Eine mittlerweile kaum noch sichtbare Narbe über einem Auge sollte eine Erinnerung bleiben. Ich weiss nicht einmal mehr über welchem Auge.

In der Folgezeit machten sich meine Eltern zunehmend Gedanken über meinen Geisteszustand (okay, tun sie vielleicht heute noch), weil die realitätsnahe Phonem-Simulation des Schaltrelaisklickens von Autoblinkern (korrekt: Fahrtrichtungsanzeiger) normalerweise nicht zur Schlüsselqualifikation eines durchschnittlich intelligenten Kleinkindes gehört. Ick-Ock. Als ich irgendwann in den 80ern erklärte, dass ich bei „Wetten Dass“ auftreten könne, weil ich in der Lage bin, im Dunkeln Autoscheinwerfer bestimmten Fahrzeugmodellen zuzuordnen, und dass nur anhand der Leuchtenform beim Zurückblicken durch die Heckscheibe, erntete ich nur noch das milde Lächeln meines Vaters. Von dem ich die Begeisterung für Autos vermutlich geerbt habe.

Anreise

Die Anreise im klimatisierten Mini-Van ist bei 30 Grad Aussentemperatur physisch auszuhalten,
mental aber durchaus eine Herausforderung. Denn der sommerliche Baustellenirrsinn sowie die Beteiligung von offensichtlich schwer gestörten Verkehrsmitteilnehmern (ich verzichte an dieser Stelle auf eine Allegorie zu unterdimensionierten männlichen Geschlechtsteilen), macht die Sache für mich am Lenkrad, aber auch vor allem für meine Begleiter, zu einer nervlichen Zwischenprüfung. Die Ankunft auf dem sehr gut ausgeschilderten Parkplatz der AutoStadt in Wolfsburg wirkt erlösend. Der exzellente Cappuccino des dem Erlebnisparks vorgelagerten Bäckers direkt am Mittellandkanal wirkt darüber hinaus stark entkrampfend, und wer ein Faible für Industrieromantik hat, kann sich im Schatten des VW-Werks hier auf der Plattform am Wasser sicher einen ganzen Tag aufhalten. Wir wollen ja aber rein und den Werbepark sehen.

Eingang

Pro Erwachsenem 15 EUR Eintritt für eine gigantische Werbeshow des VW-Konzerns zu zahlen, sorgt für eine ordentliche Erwartungshaltung. ADAC-Mitglieder zahlen natürlich weniger. Die freundliche Dame an der Kasse in der riesigen Empfangshalle weist uns auf die Möglichkeit zur kostenlosen Nutzung einer Kanalrundfahrt durch die Industrieanlagen hin, auf die wir aber wegen der eigenen Erfahrung mit Hafenrundfahrten dankend verzichten. Worauf sie uns nicht hinweist, ist die Notwendigkeit, die beliebte Turmfahrt in einem der beiden Autotürme gleich hier auch buchen zu müssen. Das hätte ich gerne gemacht, wir stellen aber erst später an den Türmen selbst fest, dass es keinerlei Chance gibt, da nachträglich ranzukommen, obwohl es an diesem beliebigen Donnerstag mitten in den Sommerferien alles andere als voll ist.

Konzernforum

Gleich mit am Eingangsbereich ist ein umfangreiches Gastronomie-Angebot und das sogenannte Konzernforum untergebracht. Hier gibt es zunächst Angebote für Kinder, wobei sich die gigantische, circa 15 Meter hohe Holzskulptur von Kinderaugen nicht auf Anhieb als übergroßer Spielplatz erkennen lässt. Zum einen liegt das vermutlich an der stahlgrau lasierten Leimbinderkonstruktion, die für Kinderaugen nicht wirklich Spielfläche verspricht, zum anderen aber vielleicht auch daran, dass die Wächter über das Spielterrain schwarze Anzüge tragen. Das könnte auf Kinder schon irgendwie merkwürdig wirken....versucht es doch mal mit bunten Polohemden.
Ansonsten findet hier auf den zwei offenen Etagen darüber viel Wissenschafts- und Design-Show statt, multimedial aufbereitet, und vor allem durchaus kritisch zu Fragen von Ökologie und Ökonomie aufgesetzt. Mit ein bisschen zu viel von Letzterem. Die Anzugträger stehen hier auch zur Verfügung, beantworten Fragen oder gehen auf die Leute zu, um bei der Bedienung der Digitaltechnik zu helfen. Das konservative Outfit dieser überwiegend jungen Leute empfinde ich aber als überkandidelt bis störend, es passt einfach nicht zum Ambiente der Ausstellung.


Zeithaus

Das Zeithaus wird für Papi, meinen Bruder und mich zur Zeitreise. Das Leuchten in den Augen meines Vaters beim Anblick der Autos seiner eigenen Jugend, einschließlich der damit verbundenen Erinnerungen, sind die 15 EUR dann eigentlich schon längst wieder wert. Warum diese zugegebenermaßen spannende Ausstellung fast gar nicht chronologisch strukturiert ist, wird wohl ein Geheimnis der Konzeptmacher bleiben. Dem Ausstellungsprofi in meinem Bruder sind Fragezeichen darüber beim Verlassen der dreistöckigen Halle deutlich anzumerken. Egal, die Exponate waren in teils lichtdurchfluteten, teils abgedunkelten Bereichen toll anzusehen.

Pavillons

Merkwürdig, sehr merkwürdig. Unter Premium Clubhouse habe ich jetzt einiges erwartet. Das aber ein vollverchromter Bugatti Veyron und sein Motor die ökopolitisch unkorrekten, aber toll designten, einzigen Exponate sein würden, hatte ich nicht erwartet. Und verstehe ich auch nicht.

Der AUDI-Auftritt hingegen glänzt mit technischer Interaktion, Leuchtkugeln für die Gäste, die damit Hochglanzpräsentation und Lichtspiele abrufen können. Das wirkt gelungen, zumal hier sogar ein Hybrid-Prototyp im Kleinwagenformat zentral präsentiert wird, der den üblichen Boliden fast die Schau stiehlt und daran erinnert, dass klassische Verbrennungsmotoren der Welt Schaden zufügen.

Mit dem Eindruck, jetzt kann es nur noch besser werden, suchen wir den Lamborghini Pavillon auf. Ich bin eigentlich gar kein Sportwagen-Fan, aber man hatte uns zuvor eine „Show“ versprochen. Das war es dann auch, leider keine, die mir gefallen könnte. Denn was das verstörend albern-infantile Motorenlärm-Lightshow-Trockeneisnebelgewitter bedeuten sollte, verstand niemand und hinterließ nicht nur bei mir einen sehr unangenehm peinlichen Nachgeschmack. Überlasst doch bitte laute Bässe in Kombination mit Lichtshow und Nebel Metallica. Die machen das besser, ehrlich. Unterstützt wurde das endpubertäre Getöse noch durch das schwarze Käfig-Ambiente, hinter dessen Gitterstäben sich der Lambo dann doch nicht wirklich räkelte. Einige Verwirrte erwarteten offensichtlich noch ein paar Brust-OP-Opfer-Girls, um die SM-Endzeit-Landschaft zu vervollständigen. Da es keine Altersbeschränkung für den Pavillon gibt (die es aber schon aufgrund der irren Lautstärke geben sollte), fand das natürlich nicht statt. Fremdschämen war dafür inklusive.

Verstört fanden wir im SEAT-Pavillon Zuflucht (SKODA hatten wir vor Schreck links liegen lassen), in dem wir uns auf großen Sitzsäcken bei familientauglichen Werbevideos auf der Großbildfläche vom Bolidenschock erholen konnten.

Das VW-Haus war dann erwartungsgemäß nüchtern aber überraschend schwach bestückt, trug jedoch wenigstens den weniger umweltschädlichen, modernen Motorentechniken deutlich Rechnung. Der spektakuläre Porsche-Bau danach ist dann zwar unspektakulär gefüllt, aber zumindest sehr stilvoll in Schwarz-Weiß-Silber-Optik kreativ präsentiert. Mental waren wir zu dem Zeitpunkt allerdings irgendwie schon durch. Deswegen wollte auch niemand mehr die Nutzfahrzeuge (gäähn) sehen.

Turmhaus, Kundencenter, Gastronomie, Fazit

Das Turmhaus-Desaster sorgte dann kurz vor Schluss bereits für den Abtörner des Tages, den ein Gang durch das stickige Kundencenter natürlich auch nicht auffangen konnte. Wie auch, denn eigentlich sah es hier aus wie in jedem fetten Autohaus. Wenigstens habe ich herausgefunden, dass der Mikrobenwagen „up!“ im Fahrgastraum nicht so klein ist, wie er von den selbsternannten Autospezialisten geredet wird. Nur eben für die wenig spektakuläre Ausstattung viel zu teuer.

Die thematisch nebensächliche, aber menschlich bedeutsame Gastronomie vor Ort ist übrigens völlig einwandfrei. Moderate Preise und freundliche Bedienung sind überall zu haben, sehr empfehlenswert ist der Italiener am Zeithaus. Lecker und preislich in einem völlig normalen Rahmen, inklusive Chefin mit Humor. Das passt.

Tja, hat sich die Spritztour jetzt insgesamt gelohnt? Eindeutiges Nein, leider. Zugegebenermaßen ist die Aussenanlage toll, viel künstliches Park-Ambiente mit allerlei Wasserspielen und ein paar Architektur-Gimmicks. Aber wo ist das Besondere? Wo z.B. sind die vielen Prototypen und Studien, die VW auf diversen Automessen zelebriert? DAS wäre etwas gewesen, was man nicht in jedem Autohaus sehen kann. Und der Pavillon dafür fehlt völlig. Dafür könnt ihr euch die Lambo-Pseudo-Porno-Show sonstwohin stecken. Man kann hier viel, viel mehr daraus machen, als nur eine nette kleine Begleitung für VW-Selbstabholer, denn bislang ist es kaum mehr als das. Ein bisschen mehr Ausblick, ein bisschen mehr Gefühl und ein bisschen mehr Konzept braucht es da schon. Und ein bisschen weniger abstrakte Kälte in der Präsentation. Aber vielleicht kriegt ihr das noch hin, Platz dafür habt ihr allemal. Und Ansätze sieht man hier und da ja schon.

Die Rückfahrt über diverse Autobahnen unter Begleitung irrer Dichtauffahrer und Scheißegal-LKW-Lenker war dann zusätzlich anstrengend. Mein Urteil hatte ich da aber schon längst gefällt.