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Freitag, 26. Juli 2013

AutoStadt - ein Ausflug mit Felgen


Ich bin kein Autonarr. Aber ich finde jegliches Fahrzeug-Design irgendwie spannend, die Technik, mit der Mobilität für Menschen hergestellt wird. Das ging früh los. Wegen der Liebe zu nächtlichem Straßenverkehr hätte ich im Alter von drei Jahren fast das Augenlicht verloren. Ich habe keinerlei Erinnerung an den Vorfall, meine Eltern schon. Was natürlich an den Unmengen von Blut gelegen haben kann, dass dem kleinen Car Spotter am Gesicht herunter lief. Eine mittlerweile kaum noch sichtbare Narbe über einem Auge sollte eine Erinnerung bleiben. Ich weiss nicht einmal mehr über welchem Auge.

In der Folgezeit machten sich meine Eltern zunehmend Gedanken über meinen Geisteszustand (okay, tun sie vielleicht heute noch), weil die realitätsnahe Phonem-Simulation des Schaltrelaisklickens von Autoblinkern (korrekt: Fahrtrichtungsanzeiger) normalerweise nicht zur Schlüsselqualifikation eines durchschnittlich intelligenten Kleinkindes gehört. Ick-Ock. Als ich irgendwann in den 80ern erklärte, dass ich bei „Wetten Dass“ auftreten könne, weil ich in der Lage bin, im Dunkeln Autoscheinwerfer bestimmten Fahrzeugmodellen zuzuordnen, und dass nur anhand der Leuchtenform beim Zurückblicken durch die Heckscheibe, erntete ich nur noch das milde Lächeln meines Vaters. Von dem ich die Begeisterung für Autos vermutlich geerbt habe.

Anreise

Die Anreise im klimatisierten Mini-Van ist bei 30 Grad Aussentemperatur physisch auszuhalten,
mental aber durchaus eine Herausforderung. Denn der sommerliche Baustellenirrsinn sowie die Beteiligung von offensichtlich schwer gestörten Verkehrsmitteilnehmern (ich verzichte an dieser Stelle auf eine Allegorie zu unterdimensionierten männlichen Geschlechtsteilen), macht die Sache für mich am Lenkrad, aber auch vor allem für meine Begleiter, zu einer nervlichen Zwischenprüfung. Die Ankunft auf dem sehr gut ausgeschilderten Parkplatz der AutoStadt in Wolfsburg wirkt erlösend. Der exzellente Cappuccino des dem Erlebnisparks vorgelagerten Bäckers direkt am Mittellandkanal wirkt darüber hinaus stark entkrampfend, und wer ein Faible für Industrieromantik hat, kann sich im Schatten des VW-Werks hier auf der Plattform am Wasser sicher einen ganzen Tag aufhalten. Wir wollen ja aber rein und den Werbepark sehen.

Eingang

Pro Erwachsenem 15 EUR Eintritt für eine gigantische Werbeshow des VW-Konzerns zu zahlen, sorgt für eine ordentliche Erwartungshaltung. ADAC-Mitglieder zahlen natürlich weniger. Die freundliche Dame an der Kasse in der riesigen Empfangshalle weist uns auf die Möglichkeit zur kostenlosen Nutzung einer Kanalrundfahrt durch die Industrieanlagen hin, auf die wir aber wegen der eigenen Erfahrung mit Hafenrundfahrten dankend verzichten. Worauf sie uns nicht hinweist, ist die Notwendigkeit, die beliebte Turmfahrt in einem der beiden Autotürme gleich hier auch buchen zu müssen. Das hätte ich gerne gemacht, wir stellen aber erst später an den Türmen selbst fest, dass es keinerlei Chance gibt, da nachträglich ranzukommen, obwohl es an diesem beliebigen Donnerstag mitten in den Sommerferien alles andere als voll ist.

Konzernforum

Gleich mit am Eingangsbereich ist ein umfangreiches Gastronomie-Angebot und das sogenannte Konzernforum untergebracht. Hier gibt es zunächst Angebote für Kinder, wobei sich die gigantische, circa 15 Meter hohe Holzskulptur von Kinderaugen nicht auf Anhieb als übergroßer Spielplatz erkennen lässt. Zum einen liegt das vermutlich an der stahlgrau lasierten Leimbinderkonstruktion, die für Kinderaugen nicht wirklich Spielfläche verspricht, zum anderen aber vielleicht auch daran, dass die Wächter über das Spielterrain schwarze Anzüge tragen. Das könnte auf Kinder schon irgendwie merkwürdig wirken....versucht es doch mal mit bunten Polohemden.
Ansonsten findet hier auf den zwei offenen Etagen darüber viel Wissenschafts- und Design-Show statt, multimedial aufbereitet, und vor allem durchaus kritisch zu Fragen von Ökologie und Ökonomie aufgesetzt. Mit ein bisschen zu viel von Letzterem. Die Anzugträger stehen hier auch zur Verfügung, beantworten Fragen oder gehen auf die Leute zu, um bei der Bedienung der Digitaltechnik zu helfen. Das konservative Outfit dieser überwiegend jungen Leute empfinde ich aber als überkandidelt bis störend, es passt einfach nicht zum Ambiente der Ausstellung.


Zeithaus

Das Zeithaus wird für Papi, meinen Bruder und mich zur Zeitreise. Das Leuchten in den Augen meines Vaters beim Anblick der Autos seiner eigenen Jugend, einschließlich der damit verbundenen Erinnerungen, sind die 15 EUR dann eigentlich schon längst wieder wert. Warum diese zugegebenermaßen spannende Ausstellung fast gar nicht chronologisch strukturiert ist, wird wohl ein Geheimnis der Konzeptmacher bleiben. Dem Ausstellungsprofi in meinem Bruder sind Fragezeichen darüber beim Verlassen der dreistöckigen Halle deutlich anzumerken. Egal, die Exponate waren in teils lichtdurchfluteten, teils abgedunkelten Bereichen toll anzusehen.

Pavillons

Merkwürdig, sehr merkwürdig. Unter Premium Clubhouse habe ich jetzt einiges erwartet. Das aber ein vollverchromter Bugatti Veyron und sein Motor die ökopolitisch unkorrekten, aber toll designten, einzigen Exponate sein würden, hatte ich nicht erwartet. Und verstehe ich auch nicht.

Der AUDI-Auftritt hingegen glänzt mit technischer Interaktion, Leuchtkugeln für die Gäste, die damit Hochglanzpräsentation und Lichtspiele abrufen können. Das wirkt gelungen, zumal hier sogar ein Hybrid-Prototyp im Kleinwagenformat zentral präsentiert wird, der den üblichen Boliden fast die Schau stiehlt und daran erinnert, dass klassische Verbrennungsmotoren der Welt Schaden zufügen.

Mit dem Eindruck, jetzt kann es nur noch besser werden, suchen wir den Lamborghini Pavillon auf. Ich bin eigentlich gar kein Sportwagen-Fan, aber man hatte uns zuvor eine „Show“ versprochen. Das war es dann auch, leider keine, die mir gefallen könnte. Denn was das verstörend albern-infantile Motorenlärm-Lightshow-Trockeneisnebelgewitter bedeuten sollte, verstand niemand und hinterließ nicht nur bei mir einen sehr unangenehm peinlichen Nachgeschmack. Überlasst doch bitte laute Bässe in Kombination mit Lichtshow und Nebel Metallica. Die machen das besser, ehrlich. Unterstützt wurde das endpubertäre Getöse noch durch das schwarze Käfig-Ambiente, hinter dessen Gitterstäben sich der Lambo dann doch nicht wirklich räkelte. Einige Verwirrte erwarteten offensichtlich noch ein paar Brust-OP-Opfer-Girls, um die SM-Endzeit-Landschaft zu vervollständigen. Da es keine Altersbeschränkung für den Pavillon gibt (die es aber schon aufgrund der irren Lautstärke geben sollte), fand das natürlich nicht statt. Fremdschämen war dafür inklusive.

Verstört fanden wir im SEAT-Pavillon Zuflucht (SKODA hatten wir vor Schreck links liegen lassen), in dem wir uns auf großen Sitzsäcken bei familientauglichen Werbevideos auf der Großbildfläche vom Bolidenschock erholen konnten.

Das VW-Haus war dann erwartungsgemäß nüchtern aber überraschend schwach bestückt, trug jedoch wenigstens den weniger umweltschädlichen, modernen Motorentechniken deutlich Rechnung. Der spektakuläre Porsche-Bau danach ist dann zwar unspektakulär gefüllt, aber zumindest sehr stilvoll in Schwarz-Weiß-Silber-Optik kreativ präsentiert. Mental waren wir zu dem Zeitpunkt allerdings irgendwie schon durch. Deswegen wollte auch niemand mehr die Nutzfahrzeuge (gäähn) sehen.

Turmhaus, Kundencenter, Gastronomie, Fazit

Das Turmhaus-Desaster sorgte dann kurz vor Schluss bereits für den Abtörner des Tages, den ein Gang durch das stickige Kundencenter natürlich auch nicht auffangen konnte. Wie auch, denn eigentlich sah es hier aus wie in jedem fetten Autohaus. Wenigstens habe ich herausgefunden, dass der Mikrobenwagen „up!“ im Fahrgastraum nicht so klein ist, wie er von den selbsternannten Autospezialisten geredet wird. Nur eben für die wenig spektakuläre Ausstattung viel zu teuer.

Die thematisch nebensächliche, aber menschlich bedeutsame Gastronomie vor Ort ist übrigens völlig einwandfrei. Moderate Preise und freundliche Bedienung sind überall zu haben, sehr empfehlenswert ist der Italiener am Zeithaus. Lecker und preislich in einem völlig normalen Rahmen, inklusive Chefin mit Humor. Das passt.

Tja, hat sich die Spritztour jetzt insgesamt gelohnt? Eindeutiges Nein, leider. Zugegebenermaßen ist die Aussenanlage toll, viel künstliches Park-Ambiente mit allerlei Wasserspielen und ein paar Architektur-Gimmicks. Aber wo ist das Besondere? Wo z.B. sind die vielen Prototypen und Studien, die VW auf diversen Automessen zelebriert? DAS wäre etwas gewesen, was man nicht in jedem Autohaus sehen kann. Und der Pavillon dafür fehlt völlig. Dafür könnt ihr euch die Lambo-Pseudo-Porno-Show sonstwohin stecken. Man kann hier viel, viel mehr daraus machen, als nur eine nette kleine Begleitung für VW-Selbstabholer, denn bislang ist es kaum mehr als das. Ein bisschen mehr Ausblick, ein bisschen mehr Gefühl und ein bisschen mehr Konzept braucht es da schon. Und ein bisschen weniger abstrakte Kälte in der Präsentation. Aber vielleicht kriegt ihr das noch hin, Platz dafür habt ihr allemal. Und Ansätze sieht man hier und da ja schon.

Die Rückfahrt über diverse Autobahnen unter Begleitung irrer Dichtauffahrer und Scheißegal-LKW-Lenker war dann zusätzlich anstrengend. Mein Urteil hatte ich da aber schon längst gefällt.

Samstag, 15. Juni 2013

Einwurf 2 - Das Grauen ist (längst) unter uns

Eigentlich war es ein völlig normaler Tag, und ich war mit den Geräten im Sportstudio meiner Wahl längst durch. Die Männerumkleiden mit den Duschen sind sehr schlicht, aber wie sich das für eine echte Muckibude gehört, gibt es eine riesige Spiegelwand, vor der mehrere Handföhns mit einem festverschraubten Stromkabel zur Benutzung freigegeben sind. Es ist relativ viel los an diesem mit sehr durchwachsenem Wetter ausgestatteten Tag, etwa zehn - überwiegend ältere - Männer ziehen sich um oder duschen gerade.

Der nackte Typ in Badelatschen vor dem Spiegel wirkt zunächst völlig normal, wuschelt sich ein wenig wirr durch die noch feuchten Haare und reisst sich ein paar deplazierte Barthaare aus. Nur aus dem Augenwinkel fange ich den leicht irren Blick des eher knochigen Mittfünfzigers auf, der sich plötzlich zwei Föhns gleichzeitig greift und beginnt, die Haare in Stereo zu trocknen. Ich schaue in die Runde und bemerke, dass sich der ein oder andere wundert. Ein richtig alter Sportskamerad zuckt mit den Achseln, als sich der Durchgeknallte vor dem Spiegel ein Liedchen pfeift und auch noch die Achselhöhlen trocknet...

Was dann kommt, bringt das Raum-Zeit-Kontinuum ins Wanken. Der Verrückte macht plötzlich einen Ausfallschritt und föhnt sich mit einem breiten Grinsen Genital- und Rektalbereich. Die Zeit steht still, einem jungen Kerl fällt vor Schreck das Handtuch zu Boden. Wäre nicht das Föhngeräusch, könnte man eine Stecknadel fallen hören. Jegliche Betriebsamkeit der Herrenumkleide gefriert spontan in Fassungslosigkeit, nur langsam sind die unfreiwilligen Teilnehmer dieser verstörenden Show in der Lage, da weiterzumachen, wo sie zuvor aufgehört haben. Keiner der Anwesenden wird jeh wieder einen öffentlich zugänglichen Handföhn normal benutzen können....

Der Typ, der heute im Supermarkt an eine Wassermelone klopft und sich das Ding dann erwartungsvoll ans Ohr hält, erscheint mir in diesem Zusammenhang völlig normal. Auch wenn er deutlich über 60 ist.

Donnerstag, 30. Mai 2013

Einwurf | Falling Down

Nach vielen Tagen mal wieder mit dem Rad zur Arbeit fahren. Schön. Schön?

Erst kackt mich so ein Bonzen-Rotzlöffel am neuralgischen Verkehrsknotenpunkt im Viertel der Semi-Reichen an ("Hallo?! Fah'ma schneller"), glaubt wohl, dass mich seine scheiß 500-Euro-Allwetterjacke und sein 1500-Flocken-Fahrrad irgendwie beeindrucken....10 Jahre alt und schon Arschloch, tragisch. Das Tier im Manne öffnet kurz verschlafen die Augen

Dann meint ein viel zu kleiner und stark übergewichtiger Hilfsbauarbeiter, mir mit Berliner Akzent und einer großen, modernen Kunststoffleichtbauabsperrung den Weg vor der Nase zubauen zu müssen: "Fah'ma aussen rum, wa?!" ...das wäre an dieser Stelle eine ganz andere Route, mit einem gewaltigen Umweg. "Nöö..." Der Kerl schaut plötzlich sehr aggressiv drein, ich allerdings stehe nunmehr nicht allein vor ihm. Die Gruppe von Radlern, die den Typ mit mir zusammen ignoriert, schüttelt kollektiv den Kopf. Eine junge Frau fasst sich an die Stirn. Das Tier im Manne streckt sich kurz wie ein alter Kater, legt sich aber wieder hin.

Dort, wo der Radweg die Straßenbahnhaltestelle vom Tabakladen trennt, rennt mir plötzlich und unvermittelt eine hektische Mittvierzigerin orientierungslos direkt vor das Rad. Dank gut erhaltener Torhüter-Reflexe bringe ich das Rad noch vor ihrer schneeweißen Hose zum Stehen. Trotzdem werde ich mit einer unverständlichen Schimpfkanonade eingedeckt, die in ein zischeliges Gemotze abebbt. Ich glaube, ich habe nichts falsch gemacht. Das Tier im Manne ist jetzt wach...und ein bisschen angepisst.

Einen knappen Kilometer weiter nimmt mir genau der jugendliche Rechtsabbieger mit seinem rostigen Polo die Vorfahrt, der eigentlich seit der schneeweißen Hose neben mir her gefahren ist. Er hat mich todsicher gesehen, wahrscheinlich hätte er mich sogar auf einem Fahndungsfoto wiedererkannt. Das Schneiden trotz meiner grünen Ampel war ein sehr bewusster Vorgang. Glücklicherweise sind meine Bremsen in Ordnung, sie quietschen ein bisschen laut und überdecken damit den spontanen verbalen Ausfluss, den ich erleide. Ein etwas älterer Polizist, der die Szene auf der anderen Straßenseite beobachtet hat, schaut mit strafendem Blick zu mir rüber. Und macht....nichts. Okay, das stimmt nicht ganz, er nuckelt weiter an seinem Pappbecherkaffee und steigt in den Streifenwagen....

Das Tier im Manne will jetzt spielen. Es hat eine etwas zu große Adrenalin-Portion zum Frühstück bekommen und ist auf der Jagd. Und es weiß, dass du da draußen bist. Derjenige, der heute das Fass zum Überlaufen bringt, dann mit den verbalen Reißzähnen niedergestreckt und zu virtuellem Hackfleisch verarbeitet wird. Also los, mein Freund, trau dich aus deiner Deckung. Ich warte hier auf dich. Oder später auf dem Heimweg. Make my day.

Dienstag, 26. Februar 2013

Quatsch mit Soße? | Ein ganz scharfer Selbstversuch in Sachen 'Teinahme an Viralmarketing-Gags'

Prolog

Ich liebe Ketchup und all seine Derivate. Soßen überhaupt sind für mich das Größte. Ich esse gerne richtig gute Sachen, aber zur Abwechslung macht mich ein Teller mit irgendeiner Abwandlung der gebackenen Kartoffelspalte und einer guten, süßsauren Tomatenpaste richtig glücklich. 

Außerdem stehe ich auf Chili con Carne. Ich koche und esse es gerne, in den verschiedensten Variationen. Und seit mir mal ein fast zwei Meter großer Mexikaner nach einer fetten Chili-Orgie gesagt hat, dass mein Chili das Beste war, was er jemals östlich von Cancún gegessen hat, bilde ich mir ein, sowas wie ein Fachmann zu sein.

Irgendwann im Januar 2013


Ampelschaltung? Nicht ganz...
Ich beobachte wieder mal den rechten Rand der facebook Oberfläche. Nein, nicht irgendwelche Fascho-Aktionen, ich meine den physikalisch rechten Rand, an dem die ganze Werbung auftaucht. Zielgruppenorientiert, sagt facebook. Überwiegend merkwürdig herausgefiltert, sag ich. Mit dem Finger am virtuellen Abzug bin ich bereit, die x-te 'wie baue ich mehr Muskelmasse in vier Stunden' Werbung mit der Bemerkung uninteressant auszublenden. Warum tue ich das eigentlich, denke ich noch, ich muss denen doch eigentlich nicht noch helfen, ihre blöden Werbe-Filter zu optimieren....und wende mich den stellenweise nicht minder blödsinnigen Statusmeldungen der virtuellen Restgemeinde zu. Im rechten Augenwinkel taucht genau in diesem Moment eine rot-grün-gelbe Kombination auf, die meine Aufmerksamkeit doch wieder nach rechts lenkt. Wieder auf den Ampel-Trick reingefallen...funktioniert bei Männern immer ;-)

Bruchteile von Sekunden später ertappe ich mich dabei, wie ich auf der Seite des Ketchup-Giganten HEINZ  ein Mini-Formular ausfülle und mich in zwei Sätzen als potentiellen, und vor allem bestens medial vernetzten Hot-Sauce-Tester anpreise...

18. Februar 2013

Patrick Weiss schreibt mir, dass ich die Jury mit meiner (Zwei-Zeilen-)Bewerbung überzeugt habe und ich deswegen einer von 100 Testern sein werde. Ich schmunzle ein wenig und denke, wenn nur 90 Leute was geschrieben haben, war das vielleicht nicht wirklich ein Kunststück. Später lese ich bei facebook, dass es doch etwa 3000 Leute waren, die die Soße...ääähhh, sorry....Sauce zum Testen haben wollten.

22. Februar 2013

Mein neuer Freund Patrick Weiss schreibt mir wieder und möchte mir vorab ein Mini-Rezeptbuch mit jeweils einem Kochvorschlag zu jeder Hot Sauce zukommen lassen. Das angehängte PDF wird in der Inbox zwar angezeigt, ist aber in der Mail nirgends zu finden. Patrick bemerkt es innerhalb von zehn Minuten selbst und legt mit einem Hauch von Selbstironie nach. Ich schmunzele, offensichtlich sind die am anderen Ende der virtuellen Leitung von der entspannten Sorte.
Dann fällt mir ein, dass ich nie nach Rezept koche. Aber man kann sich ja Inspiration holen.

23. Februar 2013


Das Paket ist da :-) Es ist klein und handlich, und irgendwie genau, wie ich es erwartet hatte. Zu meiner Freude stelle ich nach dem Öffnen fest, dass nicht nur die Hot Sauces nebst Fragebogen enthalten sind, sondern auch ein rustikales Gemüsemesser mit Holzgriff und eingebranntem HEINZ Logo. Da fühlt sich der Grillmeister sofort angesprochen.

Flaschengröße und Design der Hot Sauces sind dem allgemeinen HEINZ-Produktstil angepasst, lassen aber auch keinen Zweifel daran, in welchem Terrain man hier einen Teil des Kuchens abschneiden möchte. Der klassische Schärfelieferant zum Nachwürzen ist ja das weit verbreitete Tabasco, und da geht hier schon rein optisch die Reise hin. Das Etikett der Hot Sauces wirkt aber durch den schwarzen Hintergrund etwas edler...aber das ist reine Optik. Zusätzlich sind die Schärfegrade mit einer Chilischoten-Skala von eins bis drei vermerkt (medium - hot - very hot)

16.23h

Ich bin neugierig, ein Schnelltest muss her. Zu diesem Zweck habe ich mir Tomatensaft vom Einkauf mitgebracht. Ja, ich bekenne mich als Tomatensaft-mit-Gewürzen-Konsument, nicht nur im Flugzeug, sondern auch zuhause.

(Selbst-)Versuchsaufbau
Die natürlich streng wissenschaftlich ausgerichtete Versuchsanordnung seht ihr hier rechts. Der Vierte Becher zur Rechten enthält Buttermilch, meine persönliche Exit-Strategie, falls die Zunge in Flammen aufgeht. Ich nehme es vorweg: Es passiert mir kein Schärfe-Unfall. Ich beschließe, mich durch die Schärfegrade nach oben zu arbeiten und fange mit Medium an...

Chipotle & Garlic (rot) | medium

Die Konsistenz der Soße ist sehr sämig, dickflüssiger als bei der Tabasco-Konkurrenz. Die Farbe ist zwar mit einem tiefen rotbraunen Ton ähnlich, aber man erkennt deutlich Zutaten- und Gewürzstücke. Das macht einen sehr guten Eindruck und wirkt ein bisschen wie homemade. Nach dem Öffnen des Klappdeckels, versuch ich zunächst den Dosierungskopf zu verstehen. Ich entschließe mich, es einfach auszuprobieren. Einfaches Kippen reicht jedenfalls nicht, es kommt nur sehr wenig aus der kleinen Öffnung. Ich werde mutiger und setze zu einem klassischen Maggi-Flaschen-Dreifach-Schuss an, und siehe da, dafür ist diese Öffnung gemacht. Drei ordentliche Spritzer landen im Tomatensaft, da mir völlig unklar ist, in welchen Schärfewelten ich mich bewege, rühre ich erstmal gründlich um.

Beim ersten Schluck ist das Aroma kaum wahrnehmbar, deswegen schiebe ich weitere vier Spritzer hinterher. Erneut gut umgerührt entfaltet sich jetzt ein mild-rauchiges Aroma, das ganz eindeutig nach verschiedenen Barbecue-Anwendungen schreit. Die Schärfe ist dezent und sehr angemessen, von der Knoblauch-Note ist allerdings kaum etwas zu spüren. Macht aber nix, vielleicht rundet es das positive Gesamtbild einfach ab, ohne auffällig zu wirken. Das langt auch völlig.

Green Jalapeno (grün) | hot

Variation Grün ist noch zähflüssiger als Rot, und macht bereits rein optisch einen fett fruchtigen Eindruck. Leicht angeheizt durch den mittelfeurigen aber vollen Geschmack, der immer noch auf meine Rezeptoren liegt, lange ich hier gleich mit vier ordentlichen Spritzern zu. Sofort nehme ich das Aroma schon über die Luft wahr, ein sehr fruchtiger Hauch breitet sich aus.

Im Geschmack bestätigt sich der Eindruck, ein sehr üppiges Aroma, das den typischen Jalapeno-Geschmack authentisch wiedergibt, damit aber auch in Mahlzeiten als Kochzutat sehr bestimmend sein kann. Was den Schärfegrad angeht, stelle ich hier keinen sehr deutlichen Unterschied zu unserem roten Kandidaten fest. Ich hab sogar nochmal zwei ordentliche Spritzer nachgeladen, die Steigerung in der Schärfe ist minimal.

Yellow Habanero (gelb) | very hot

Ich bin mittlerweile ein wenig im Chili-Rausch, fange an, mit spanischem Akzent zu denken und genehmige mir drei fette Spritzer des intensiv gelben Testkandidaten. Wieder ist sofort ein sehr intensives Aroma zu riechen. Ich muss gestehen, dass ich Habaneros noch nie zum Kochen verwendet habe, weil ich immer wieder gehört habe, wie schnell man sich da mengenmäßig vertun kann.

Die Habaneros (in der zähflüssigen Hot Sauce als kleine Fadenstücke zu erkennen) geben ordentlich Gas. Schon beim ersten Schluck aus dem Testbecher merke ich die Schärfe auf Lippen und Zunge, aber gleichzeitg stellt sich ein sehr "gemüsiges" Aroma ein. Als Kurzbeschreibung könnte man vielleicht sagen, wir haben es hier mit einer durchgeknallten Paprika zu tun. Dieses Aroma kann ich mir auch sehr gut in asiatischen Gerichten vorstellen, und es kommt wahrscheinlich nicht von ungefähr, dass es im Mini-Rezeptheft von HEINZ einen Kochvorschlag in genau diese Richtung gibt.

24. Februar 2013

Ich muss unbedingt eines der Rezepte ausprobieren, entscheide mich aus pragmatischen Gründen für das gerade beschriebene Wok-Gericht aus dem von HEINZ mitgelieferten Rezeptbuch. Da ich sonst nie nach Rezept koche, strengt mich selbst dieses simple Gericht erstmal ungewöhnlich an. Und das, obwohl die beste Frau der Welt bereits die ungeliebte Vorarbeit geleistet hat, sämtliche gemüsigen Zutaten in sehr kleine Stücke zu schneiden, die selbst den Ansprüchen des Herrn Rach genügen dürften. Und der asiatischen Küche sowieso.

Das Fleisch bereite ich getrennt zu, da die beste Tochter der Welt sich seit einiger Zeit konsequent vegetarisch ernährt. Über den Lese-Schnippel-Koordinationskonflikt hinweg, vergesse ich tatsächlich eine Zutat, dafür geraten mir viel zu viele Wok-Nudeln in die wokähnliche Riesenpfanne. Selbst leicht gesalzen schmeckt mir das erstmal nach nix, deswegen lange ich zum Schluss ordentlich mit der very hot Yellow Habanero zu. Die verbessert die Lage zwar und gibt dem ganzen ordentlich Dampf unter die Haube, trotzdem fehlt mir was. Na klar, kein Asiate würde sowas jemals völlig ohne Sojasoße zubereiten, also gebe ich hier von der milden Sorte etwas dazu und bringe (keineswegs restlos überzeugt) die ganze Sache für meine beiden Damen auf den Tisch.

Nach Zugabe von weiterer bereitgestellte Sojasoße (jetzt die scharfe Sorte), wird das Gericht von den Anwesenden Personen zwischen okay bis lecker einsortiert. Kein kulinarisches Mega-Highlight, aber ein schnelles Gericht, dass wegen der Woknudeln einen Sättigungsfaktor besitzt, ohne schwer im Magen zu liegen. Aber mir wird auch klar, dass man die Rezeptvorschläge in jedem Fall nur als Basis sehen darf, auf der man seinen eigenen Verfeinerungen hinzufügen muss. Vielleicht einfach mehr Hot Sauce. Demnächst wird noch die scharfe Suppe ausprobiert...

Fazit

HEINZ hat nicht den Fehler gemacht, eine lediglich verbesserte Kopie von irgendetwas auf den Markt zu bringen. Stattdessen werden sehr aromatische Chili-Würzsoßen geboten, bei denen man ordentlich zulangen kann, auch wenn der Unterschied in den Schärfestufen medium und hot nicht wirklich groß ist. Die Hot Sauces sind  eine Zutat zum Nachwürzen und genau so sollte man sie auch behandeln, so kann beispielsweise jeder Gast bei einem üppigen Chili con Carne Abend nach eigenen Gelüsten nachschärfen...dem Feuer sind da keine Grenzen gesetzt. Den Dosierschwung muss man erstmal selber rausfinden, aber wenn man's hat, ist es einfacher in der Handhabung als z.B. Tabasco. Ich selbst werde die drei Sorten sicherlich im Sommer auch mal in verschieden Dip- und Barbecue-Soßen verarbeiten, da geht bestimmt noch was.

Die Aktion selber finde ich sehr gelungen. Im Gegensatz zu vielen "viralen" Social Media Aktionen der letzten  Zeit, hat HEINZ sich hier eine ganz einfache, wenig aufwendige Sache ohne die übliche Hysterie ausgedacht. Zuletzt setzten einige Unternehmen auf das virtuelle Vorführen von Menschen, das kam bei vielen überhaupt nicht gut an. Bei mir auch nicht.

Vielen Dank, HEINZ, dass du mich bedacht hast...und herzlichen Glückwunsch zu einem gelungenem Produkt :-)


Epilog


  • Laut Wikipedia verkauft die H.J.Heinz Company ihre Produkte unter den Marken HEINZ, HP und Lea&Perrins in über 50 Ländern dieser Erde. Das bekannteste und mit älteste Produkt ist der HEINZ Tomato Ketchup (1876)
  • Der Begriff Ketchup ist am wahrscheinlichsten vom indonesischen kecap abgeleitet, das zunächst mal nichts weiter als Soße bedeutet. In der indonesischen Soße spielen allerdings Tomaten keine Rolle.
  • Die Basis für die ersten Ketchups ist vermutlich eine salzige Fischsoße (ähnlich der Sojasoße) gewesen.
  • In vielen Ländern Asiens wird Ketchup wegen der idealen Mischung der Zutaten als Basis für diverse Speisesoßen benutzt. Die Auswahl wird hier auch um ein mit lokalen Zutaten modifiziertes Angebot erweitert, so gibt es beispielsweise auf den Philippinen mit seinen gefühlten 100 Bananensorten den sehr beliebten Banana Catsup....der zwar rotbraun ist, aber keinerlei Tomaten enthält.
  • Ich habe keine Ahnung, warum ich hier von Ketchup schreibe, denn es geht ja eigentlich um Würzsoßen aus Chilischoten.
  • Ich weiss bis heute nicht, ob es Patrick Weiss wirklich gibt.