Ich bin kein Autonarr. Aber ich finde
jegliches Fahrzeug-Design irgendwie spannend, die Technik, mit der
Mobilität für Menschen hergestellt wird. Das ging früh los. Wegen
der Liebe zu nächtlichem Straßenverkehr hätte ich im Alter von
drei Jahren fast das Augenlicht verloren. Ich habe keinerlei
Erinnerung an den Vorfall, meine Eltern schon. Was natürlich an den
Unmengen von Blut gelegen haben kann, dass dem kleinen Car Spotter am
Gesicht herunter lief. Eine mittlerweile kaum noch sichtbare Narbe
über einem Auge sollte eine Erinnerung bleiben. Ich weiss nicht
einmal mehr über welchem Auge.
In der Folgezeit machten sich meine
Eltern zunehmend Gedanken über meinen Geisteszustand (okay, tun sie
vielleicht heute noch), weil die realitätsnahe Phonem-Simulation des
Schaltrelaisklickens von Autoblinkern (korrekt:
Fahrtrichtungsanzeiger) normalerweise nicht zur
Schlüsselqualifikation eines durchschnittlich intelligenten
Kleinkindes gehört. Ick-Ock. Als ich irgendwann in den 80ern
erklärte, dass ich bei „Wetten Dass“ auftreten könne, weil ich
in der Lage bin, im Dunkeln Autoscheinwerfer bestimmten
Fahrzeugmodellen zuzuordnen, und dass nur anhand der Leuchtenform
beim Zurückblicken durch die Heckscheibe, erntete ich nur noch das
milde Lächeln meines Vaters. Von dem ich die Begeisterung für Autos
vermutlich geerbt habe.Anreise
Die Anreise im klimatisierten Mini-Van
ist bei 30 Grad Aussentemperatur physisch auszuhalten,
mental aber
durchaus eine Herausforderung. Denn der sommerliche Baustellenirrsinn
sowie die Beteiligung von offensichtlich schwer gestörten
Verkehrsmitteilnehmern (ich verzichte an dieser Stelle auf eine
Allegorie zu unterdimensionierten männlichen Geschlechtsteilen),
macht die Sache für mich am Lenkrad, aber auch vor allem für meine
Begleiter, zu einer nervlichen Zwischenprüfung. Die Ankunft auf dem
sehr gut ausgeschilderten Parkplatz der AutoStadt in Wolfsburg wirkt
erlösend. Der exzellente Cappuccino des dem Erlebnisparks
vorgelagerten Bäckers direkt am Mittellandkanal wirkt darüber
hinaus stark entkrampfend, und wer ein Faible für Industrieromantik
hat, kann sich im Schatten des VW-Werks hier auf der Plattform am
Wasser sicher einen ganzen Tag aufhalten. Wir wollen ja aber rein und
den Werbepark sehen.Eingang
Pro Erwachsenem 15 EUR Eintritt für
eine gigantische Werbeshow des VW-Konzerns zu zahlen, sorgt für eine
ordentliche Erwartungshaltung. ADAC-Mitglieder zahlen natürlich
weniger. Die freundliche Dame an der Kasse in der riesigen
Empfangshalle weist uns auf die Möglichkeit zur kostenlosen Nutzung
einer Kanalrundfahrt durch die Industrieanlagen hin, auf die wir aber
wegen der eigenen Erfahrung mit Hafenrundfahrten dankend verzichten.
Worauf sie uns nicht hinweist, ist die Notwendigkeit, die beliebte
Turmfahrt in einem der beiden Autotürme gleich hier auch buchen zu
müssen. Das hätte ich gerne gemacht, wir stellen aber erst später
an den Türmen selbst fest, dass es keinerlei Chance gibt, da
nachträglich ranzukommen, obwohl es an diesem beliebigen Donnerstag
mitten in den Sommerferien alles andere als voll ist.
Konzernforum
Gleich mit am Eingangsbereich ist ein
umfangreiches Gastronomie-Angebot und das sogenannte Konzernforum
untergebracht. Hier gibt es zunächst Angebote für Kinder, wobei
sich die gigantische, circa 15 Meter hohe Holzskulptur von
Kinderaugen nicht auf Anhieb als übergroßer Spielplatz erkennen
lässt. Zum einen liegt das vermutlich an der stahlgrau lasierten
Leimbinderkonstruktion, die für Kinderaugen nicht wirklich
Spielfläche verspricht, zum anderen aber vielleicht auch daran, dass
die Wächter über das Spielterrain schwarze Anzüge tragen. Das
könnte auf Kinder schon irgendwie merkwürdig wirken....versucht es
doch mal mit bunten Polohemden.
Ansonsten findet hier auf den zwei
offenen Etagen darüber viel Wissenschafts- und Design-Show statt,
multimedial aufbereitet, und vor allem durchaus kritisch zu Fragen
von Ökologie und Ökonomie aufgesetzt. Mit ein bisschen zu viel von
Letzterem. Die Anzugträger stehen hier auch zur Verfügung,
beantworten Fragen oder gehen auf die Leute zu, um bei der Bedienung
der Digitaltechnik zu helfen. Das konservative Outfit dieser
überwiegend jungen Leute empfinde ich aber als überkandidelt bis
störend, es passt einfach nicht zum Ambiente der Ausstellung.
Zeithaus
Das Zeithaus wird für Papi, meinen
Bruder und mich zur Zeitreise. Das Leuchten in den Augen meines
Vaters beim Anblick der Autos seiner eigenen Jugend, einschließlich
der damit verbundenen Erinnerungen, sind die 15 EUR dann eigentlich
schon längst wieder wert. Warum diese zugegebenermaßen spannende
Ausstellung fast gar nicht chronologisch strukturiert ist, wird wohl
ein Geheimnis der Konzeptmacher bleiben. Dem Ausstellungsprofi in
meinem Bruder sind Fragezeichen darüber beim Verlassen der
dreistöckigen Halle deutlich anzumerken. Egal, die Exponate waren in
teils lichtdurchfluteten, teils abgedunkelten Bereichen toll
anzusehen.
Pavillons
Merkwürdig, sehr merkwürdig. Unter
Premium Clubhouse habe ich jetzt einiges erwartet. Das aber ein
vollverchromter Bugatti Veyron und sein Motor die ökopolitisch
unkorrekten, aber toll designten, einzigen Exponate sein würden,
hatte ich nicht erwartet. Und verstehe ich auch nicht.
Der AUDI-Auftritt hingegen glänzt mit
technischer Interaktion, Leuchtkugeln für die Gäste, die damit
Hochglanzpräsentation und Lichtspiele abrufen können. Das wirkt
gelungen, zumal hier sogar ein Hybrid-Prototyp im Kleinwagenformat
zentral präsentiert wird, der den üblichen Boliden fast die Schau stiehlt und
daran erinnert, dass klassische Verbrennungsmotoren der Welt Schaden
zufügen.
Mit dem Eindruck, jetzt kann es nur
noch besser werden, suchen wir den Lamborghini Pavillon auf. Ich bin
eigentlich gar kein Sportwagen-Fan, aber man hatte uns zuvor eine
„Show“ versprochen. Das war es dann auch, leider keine, die mir
gefallen könnte. Denn was das verstörend albern-infantile
Motorenlärm-Lightshow-Trockeneisnebelgewitter bedeuten sollte,
verstand niemand und hinterließ nicht nur bei mir einen sehr
unangenehm peinlichen Nachgeschmack. Überlasst doch bitte laute
Bässe in Kombination mit Lichtshow und Nebel Metallica. Die machen
das besser, ehrlich. Unterstützt wurde das endpubertäre Getöse
noch durch das schwarze Käfig-Ambiente, hinter dessen Gitterstäben
sich der Lambo dann doch nicht wirklich räkelte. Einige Verwirrte erwarteten
offensichtlich noch ein paar Brust-OP-Opfer-Girls, um die
SM-Endzeit-Landschaft zu vervollständigen. Da es keine
Altersbeschränkung für den Pavillon gibt (die es aber schon
aufgrund der irren Lautstärke geben sollte), fand das natürlich
nicht statt. Fremdschämen war dafür inklusive.
Verstört fanden wir im SEAT-Pavillon
Zuflucht (SKODA hatten wir vor Schreck links liegen lassen), in dem
wir uns auf großen Sitzsäcken bei familientauglichen Werbevideos
auf der Großbildfläche vom Bolidenschock erholen konnten.
Das VW-Haus war dann erwartungsgemäß
nüchtern aber überraschend schwach bestückt, trug jedoch wenigstens den weniger
umweltschädlichen, modernen Motorentechniken deutlich Rechnung. Der
spektakuläre Porsche-Bau danach ist dann zwar unspektakulär
gefüllt, aber zumindest sehr stilvoll in Schwarz-Weiß-Silber-Optik
kreativ präsentiert. Mental waren wir zu dem Zeitpunkt allerdings
irgendwie schon durch. Deswegen wollte auch niemand mehr die
Nutzfahrzeuge (gäähn) sehen.
Turmhaus, Kundencenter, Gastronomie, Fazit
Das Turmhaus-Desaster sorgte dann kurz
vor Schluss bereits für den Abtörner des Tages, den ein Gang durch
das stickige Kundencenter natürlich auch nicht auffangen konnte. Wie
auch, denn eigentlich sah es hier aus wie in jedem fetten Autohaus.
Wenigstens habe ich herausgefunden, dass der Mikrobenwagen „up!“
im Fahrgastraum nicht so klein ist, wie er von den selbsternannten
Autospezialisten geredet
wird. Nur eben für die wenig spektakuläre Ausstattung viel zu
teuer.
Die thematisch nebensächliche, aber
menschlich bedeutsame Gastronomie vor Ort ist übrigens völlig
einwandfrei. Moderate Preise und freundliche Bedienung sind überall
zu haben, sehr empfehlenswert ist der Italiener am Zeithaus. Lecker
und preislich in einem völlig normalen Rahmen, inklusive Chefin mit
Humor. Das passt.
Tja, hat sich die Spritztour jetzt
insgesamt gelohnt? Eindeutiges Nein, leider. Zugegebenermaßen ist
die Aussenanlage toll, viel künstliches Park-Ambiente mit allerlei
Wasserspielen und ein paar Architektur-Gimmicks. Aber wo ist das
Besondere? Wo z.B. sind die vielen Prototypen und Studien, die VW auf
diversen Automessen zelebriert? DAS wäre etwas gewesen, was man
nicht in jedem Autohaus sehen kann. Und der Pavillon dafür fehlt
völlig. Dafür könnt ihr euch die Lambo-Pseudo-Porno-Show
sonstwohin stecken. Man kann hier viel, viel mehr daraus machen, als
nur eine nette kleine Begleitung für VW-Selbstabholer, denn bislang
ist es kaum mehr als das. Ein bisschen mehr Ausblick, ein bisschen
mehr Gefühl und ein bisschen mehr Konzept braucht es da schon. Und
ein bisschen weniger abstrakte Kälte in der Präsentation. Aber
vielleicht kriegt ihr das noch hin, Platz dafür habt ihr allemal.
Und Ansätze sieht man hier und da ja schon.
Die Rückfahrt über diverse Autobahnen
unter Begleitung irrer Dichtauffahrer und Scheißegal-LKW-Lenker war
dann zusätzlich anstrengend. Mein Urteil hatte ich da aber schon
längst gefällt.






