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Freitag, 25. Juli 2014

Endspiel oder "der ganz normale, ballrunde Wahnsinn"

prolog

Schon Wochen vor der Endrunde versuchen die Medien, den Hype systematisch aufzubauen. Die deutsche Nationalmannschaft spielt da nicht so richtig mit und sorgt mit allerlei Mini-Skandälchen dafür, dass die kollektive Vorfreude keine wird. Im alpinen Trainingslager regnet es auch noch ständig, und viele der 80 Millionen Bundestrainer sehen das Aus in der Vorrunde kommen.

Ich bin genervt und schalte systematisch die Vorberichterstattung zur WM-Endrunde ab. Gelegentlich gelingt mir das nicht, weil ich gerade koche und Frischkäse an den Fingern habe. Oder so. Die Familie wird an diesen Abenden viel zu scharfes oder wahlweise fast salzloses Essen zu sich nehmen müssen. Mit bewundernswerter Milde nehmen sämtliche wechselweise anwesenden Mitesser meine kulinarischen Aussetzer hin. Musse besser konzentriere...

vorrunde ff.

Ich rede mir ein, dass mich die ersten Spiele gar nicht interessieren..trotzdem sitz ich nahezu jeden Abend vor der Glotze und glotze. Zuerst verliere ich das Interesse an den immer dämlicher werdenden Vorberichten, danach auch an den teilweise öde langweiligen Spielen. Mehr Fahrt nimmt die Sache für mich bei Facebook auf; die Hashtag Threads sind gelegentlich spannender als das dazugehörige Spiel.

Ich fange an -vermutlich aus alter Verbundenheit der Position gegenüber- Manuel Neuer klasse zu finden. Früher fand ich den doof. Plötzlich denke ich, was später ein Reporter ausspricht: Wahrscheinlich der beste Torhüter aller Zeiten. Dann ärgere ich mich sofort über den Gedanken.

Ansonsten werde ich zum knallharten Analytiker, seziere Spielabläufe und erkenne die Schwachstellen in den verschiedenen Systemen. Wer mich aus dem Stadion kennt, würde es nicht für möglich halten, wie sachlich und mit welch saharagleicher Trockenheit ich am Werk bin. Ein gewisser Delling weist mich aus der Flimmerkiste darauf hin, dass die deutsche Mannschaft bereits einen Scout hat. Da bin ich wohl überflüssig. Egal, ich zieh das jetzt durch...

13. Juli 2014

00.26h - Urplötzlich werde ich euphorisch. Es kommt aus heiterem Himmel während eines unglaublich langweiligen Spielfilms. Mein entsprechender Post im virtuellen Treffpunkt der nächtlich Gelangweilten bekommt bis zum nächsten Morgen 14 Likes.

09.47h - Beim Frühstück fahre ich die digitale Ernte ein. Ich ertappe mich dabei, wie ich aus Vorfreude auf das Spiel etwas zu beschwingt Marmelade auf meinem Bötchen verstreiche. Grinsend (vermutlich etwas zu blöde)  schenke ich Kaffee nach.

11.04h - Eine Email reißt mich aus meiner ballspielgeschwängerten Gedankenwelt. Ein völlig anderes Thema wird mich für ein paar Stunden beschäftigen. Der emotionale Faden ist gerissen.

18.11h - Draußen grillen geht aus wettertechnischen Gründen nicht. Der Elektrogrill tut's aber auch drinnen. Weil ich Hunger habe, fange ich viel zu früh an, entwickle aber spontan ein ausgeklügeltes Warmhaltekonzept. Das Essen läuft gut.

21.00h - Exakt pünktlich zum Anstoß sitze ich mit allen Gästen auf dem Sofa. Die Stimmung ist ausgelassen, meine Anspannung hat aufgehört zu existieren.

23.24h - Ein gewisser Mario (im Folgenden Supermario genannt) macht dem offenen Schlagabtausch durch einen fußballerischen Geistesblitz ein Ende. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass der Typ überhaupt zum Turnier mit angereist war. Am Ende ist alles Schland.

epilog

Zwei Nächte später sorgen ein paar übereuphorisierte und vermutlich restalkolisierte Fußballhelden mit einer etwas zu großen Portion Gaucho-Spott für einen Beinahe-Skandal von der Kategorie der störenden Erscheinungen vor der WM. Nur dass Leute, die sich noch nie für Fußball interessiert haben, plötzlich die Nationalismus-Keule schwingen. Zu diesem Zeitpunkt ahnt niemand, dass das alles nur wenige Tage später völlig bedeutungslos sein wird, weil ein paar Irre ein Passagierflugzeug aus dem ukrainischen Himmel schießen werden. Und ich werde wieder wissen, dass es eben doch nur Fußball ist...und dass es wichtigeres gibt.


















Freitag, 26. Juli 2013

AutoStadt - ein Ausflug mit Felgen


Ich bin kein Autonarr. Aber ich finde jegliches Fahrzeug-Design irgendwie spannend, die Technik, mit der Mobilität für Menschen hergestellt wird. Das ging früh los. Wegen der Liebe zu nächtlichem Straßenverkehr hätte ich im Alter von drei Jahren fast das Augenlicht verloren. Ich habe keinerlei Erinnerung an den Vorfall, meine Eltern schon. Was natürlich an den Unmengen von Blut gelegen haben kann, dass dem kleinen Car Spotter am Gesicht herunter lief. Eine mittlerweile kaum noch sichtbare Narbe über einem Auge sollte eine Erinnerung bleiben. Ich weiss nicht einmal mehr über welchem Auge.

In der Folgezeit machten sich meine Eltern zunehmend Gedanken über meinen Geisteszustand (okay, tun sie vielleicht heute noch), weil die realitätsnahe Phonem-Simulation des Schaltrelaisklickens von Autoblinkern (korrekt: Fahrtrichtungsanzeiger) normalerweise nicht zur Schlüsselqualifikation eines durchschnittlich intelligenten Kleinkindes gehört. Ick-Ock. Als ich irgendwann in den 80ern erklärte, dass ich bei „Wetten Dass“ auftreten könne, weil ich in der Lage bin, im Dunkeln Autoscheinwerfer bestimmten Fahrzeugmodellen zuzuordnen, und dass nur anhand der Leuchtenform beim Zurückblicken durch die Heckscheibe, erntete ich nur noch das milde Lächeln meines Vaters. Von dem ich die Begeisterung für Autos vermutlich geerbt habe.

Anreise

Die Anreise im klimatisierten Mini-Van ist bei 30 Grad Aussentemperatur physisch auszuhalten,
mental aber durchaus eine Herausforderung. Denn der sommerliche Baustellenirrsinn sowie die Beteiligung von offensichtlich schwer gestörten Verkehrsmitteilnehmern (ich verzichte an dieser Stelle auf eine Allegorie zu unterdimensionierten männlichen Geschlechtsteilen), macht die Sache für mich am Lenkrad, aber auch vor allem für meine Begleiter, zu einer nervlichen Zwischenprüfung. Die Ankunft auf dem sehr gut ausgeschilderten Parkplatz der AutoStadt in Wolfsburg wirkt erlösend. Der exzellente Cappuccino des dem Erlebnisparks vorgelagerten Bäckers direkt am Mittellandkanal wirkt darüber hinaus stark entkrampfend, und wer ein Faible für Industrieromantik hat, kann sich im Schatten des VW-Werks hier auf der Plattform am Wasser sicher einen ganzen Tag aufhalten. Wir wollen ja aber rein und den Werbepark sehen.

Eingang

Pro Erwachsenem 15 EUR Eintritt für eine gigantische Werbeshow des VW-Konzerns zu zahlen, sorgt für eine ordentliche Erwartungshaltung. ADAC-Mitglieder zahlen natürlich weniger. Die freundliche Dame an der Kasse in der riesigen Empfangshalle weist uns auf die Möglichkeit zur kostenlosen Nutzung einer Kanalrundfahrt durch die Industrieanlagen hin, auf die wir aber wegen der eigenen Erfahrung mit Hafenrundfahrten dankend verzichten. Worauf sie uns nicht hinweist, ist die Notwendigkeit, die beliebte Turmfahrt in einem der beiden Autotürme gleich hier auch buchen zu müssen. Das hätte ich gerne gemacht, wir stellen aber erst später an den Türmen selbst fest, dass es keinerlei Chance gibt, da nachträglich ranzukommen, obwohl es an diesem beliebigen Donnerstag mitten in den Sommerferien alles andere als voll ist.

Konzernforum

Gleich mit am Eingangsbereich ist ein umfangreiches Gastronomie-Angebot und das sogenannte Konzernforum untergebracht. Hier gibt es zunächst Angebote für Kinder, wobei sich die gigantische, circa 15 Meter hohe Holzskulptur von Kinderaugen nicht auf Anhieb als übergroßer Spielplatz erkennen lässt. Zum einen liegt das vermutlich an der stahlgrau lasierten Leimbinderkonstruktion, die für Kinderaugen nicht wirklich Spielfläche verspricht, zum anderen aber vielleicht auch daran, dass die Wächter über das Spielterrain schwarze Anzüge tragen. Das könnte auf Kinder schon irgendwie merkwürdig wirken....versucht es doch mal mit bunten Polohemden.
Ansonsten findet hier auf den zwei offenen Etagen darüber viel Wissenschafts- und Design-Show statt, multimedial aufbereitet, und vor allem durchaus kritisch zu Fragen von Ökologie und Ökonomie aufgesetzt. Mit ein bisschen zu viel von Letzterem. Die Anzugträger stehen hier auch zur Verfügung, beantworten Fragen oder gehen auf die Leute zu, um bei der Bedienung der Digitaltechnik zu helfen. Das konservative Outfit dieser überwiegend jungen Leute empfinde ich aber als überkandidelt bis störend, es passt einfach nicht zum Ambiente der Ausstellung.


Zeithaus

Das Zeithaus wird für Papi, meinen Bruder und mich zur Zeitreise. Das Leuchten in den Augen meines Vaters beim Anblick der Autos seiner eigenen Jugend, einschließlich der damit verbundenen Erinnerungen, sind die 15 EUR dann eigentlich schon längst wieder wert. Warum diese zugegebenermaßen spannende Ausstellung fast gar nicht chronologisch strukturiert ist, wird wohl ein Geheimnis der Konzeptmacher bleiben. Dem Ausstellungsprofi in meinem Bruder sind Fragezeichen darüber beim Verlassen der dreistöckigen Halle deutlich anzumerken. Egal, die Exponate waren in teils lichtdurchfluteten, teils abgedunkelten Bereichen toll anzusehen.

Pavillons

Merkwürdig, sehr merkwürdig. Unter Premium Clubhouse habe ich jetzt einiges erwartet. Das aber ein vollverchromter Bugatti Veyron und sein Motor die ökopolitisch unkorrekten, aber toll designten, einzigen Exponate sein würden, hatte ich nicht erwartet. Und verstehe ich auch nicht.

Der AUDI-Auftritt hingegen glänzt mit technischer Interaktion, Leuchtkugeln für die Gäste, die damit Hochglanzpräsentation und Lichtspiele abrufen können. Das wirkt gelungen, zumal hier sogar ein Hybrid-Prototyp im Kleinwagenformat zentral präsentiert wird, der den üblichen Boliden fast die Schau stiehlt und daran erinnert, dass klassische Verbrennungsmotoren der Welt Schaden zufügen.

Mit dem Eindruck, jetzt kann es nur noch besser werden, suchen wir den Lamborghini Pavillon auf. Ich bin eigentlich gar kein Sportwagen-Fan, aber man hatte uns zuvor eine „Show“ versprochen. Das war es dann auch, leider keine, die mir gefallen könnte. Denn was das verstörend albern-infantile Motorenlärm-Lightshow-Trockeneisnebelgewitter bedeuten sollte, verstand niemand und hinterließ nicht nur bei mir einen sehr unangenehm peinlichen Nachgeschmack. Überlasst doch bitte laute Bässe in Kombination mit Lichtshow und Nebel Metallica. Die machen das besser, ehrlich. Unterstützt wurde das endpubertäre Getöse noch durch das schwarze Käfig-Ambiente, hinter dessen Gitterstäben sich der Lambo dann doch nicht wirklich räkelte. Einige Verwirrte erwarteten offensichtlich noch ein paar Brust-OP-Opfer-Girls, um die SM-Endzeit-Landschaft zu vervollständigen. Da es keine Altersbeschränkung für den Pavillon gibt (die es aber schon aufgrund der irren Lautstärke geben sollte), fand das natürlich nicht statt. Fremdschämen war dafür inklusive.

Verstört fanden wir im SEAT-Pavillon Zuflucht (SKODA hatten wir vor Schreck links liegen lassen), in dem wir uns auf großen Sitzsäcken bei familientauglichen Werbevideos auf der Großbildfläche vom Bolidenschock erholen konnten.

Das VW-Haus war dann erwartungsgemäß nüchtern aber überraschend schwach bestückt, trug jedoch wenigstens den weniger umweltschädlichen, modernen Motorentechniken deutlich Rechnung. Der spektakuläre Porsche-Bau danach ist dann zwar unspektakulär gefüllt, aber zumindest sehr stilvoll in Schwarz-Weiß-Silber-Optik kreativ präsentiert. Mental waren wir zu dem Zeitpunkt allerdings irgendwie schon durch. Deswegen wollte auch niemand mehr die Nutzfahrzeuge (gäähn) sehen.

Turmhaus, Kundencenter, Gastronomie, Fazit

Das Turmhaus-Desaster sorgte dann kurz vor Schluss bereits für den Abtörner des Tages, den ein Gang durch das stickige Kundencenter natürlich auch nicht auffangen konnte. Wie auch, denn eigentlich sah es hier aus wie in jedem fetten Autohaus. Wenigstens habe ich herausgefunden, dass der Mikrobenwagen „up!“ im Fahrgastraum nicht so klein ist, wie er von den selbsternannten Autospezialisten geredet wird. Nur eben für die wenig spektakuläre Ausstattung viel zu teuer.

Die thematisch nebensächliche, aber menschlich bedeutsame Gastronomie vor Ort ist übrigens völlig einwandfrei. Moderate Preise und freundliche Bedienung sind überall zu haben, sehr empfehlenswert ist der Italiener am Zeithaus. Lecker und preislich in einem völlig normalen Rahmen, inklusive Chefin mit Humor. Das passt.

Tja, hat sich die Spritztour jetzt insgesamt gelohnt? Eindeutiges Nein, leider. Zugegebenermaßen ist die Aussenanlage toll, viel künstliches Park-Ambiente mit allerlei Wasserspielen und ein paar Architektur-Gimmicks. Aber wo ist das Besondere? Wo z.B. sind die vielen Prototypen und Studien, die VW auf diversen Automessen zelebriert? DAS wäre etwas gewesen, was man nicht in jedem Autohaus sehen kann. Und der Pavillon dafür fehlt völlig. Dafür könnt ihr euch die Lambo-Pseudo-Porno-Show sonstwohin stecken. Man kann hier viel, viel mehr daraus machen, als nur eine nette kleine Begleitung für VW-Selbstabholer, denn bislang ist es kaum mehr als das. Ein bisschen mehr Ausblick, ein bisschen mehr Gefühl und ein bisschen mehr Konzept braucht es da schon. Und ein bisschen weniger abstrakte Kälte in der Präsentation. Aber vielleicht kriegt ihr das noch hin, Platz dafür habt ihr allemal. Und Ansätze sieht man hier und da ja schon.

Die Rückfahrt über diverse Autobahnen unter Begleitung irrer Dichtauffahrer und Scheißegal-LKW-Lenker war dann zusätzlich anstrengend. Mein Urteil hatte ich da aber schon längst gefällt.

Samstag, 15. Juni 2013

Einwurf 2 - Das Grauen ist (längst) unter uns

Eigentlich war es ein völlig normaler Tag, und ich war mit den Geräten im Sportstudio meiner Wahl längst durch. Die Männerumkleiden mit den Duschen sind sehr schlicht, aber wie sich das für eine echte Muckibude gehört, gibt es eine riesige Spiegelwand, vor der mehrere Handföhns mit einem festverschraubten Stromkabel zur Benutzung freigegeben sind. Es ist relativ viel los an diesem mit sehr durchwachsenem Wetter ausgestatteten Tag, etwa zehn - überwiegend ältere - Männer ziehen sich um oder duschen gerade.

Der nackte Typ in Badelatschen vor dem Spiegel wirkt zunächst völlig normal, wuschelt sich ein wenig wirr durch die noch feuchten Haare und reisst sich ein paar deplazierte Barthaare aus. Nur aus dem Augenwinkel fange ich den leicht irren Blick des eher knochigen Mittfünfzigers auf, der sich plötzlich zwei Föhns gleichzeitig greift und beginnt, die Haare in Stereo zu trocknen. Ich schaue in die Runde und bemerke, dass sich der ein oder andere wundert. Ein richtig alter Sportskamerad zuckt mit den Achseln, als sich der Durchgeknallte vor dem Spiegel ein Liedchen pfeift und auch noch die Achselhöhlen trocknet...

Was dann kommt, bringt das Raum-Zeit-Kontinuum ins Wanken. Der Verrückte macht plötzlich einen Ausfallschritt und föhnt sich mit einem breiten Grinsen Genital- und Rektalbereich. Die Zeit steht still, einem jungen Kerl fällt vor Schreck das Handtuch zu Boden. Wäre nicht das Föhngeräusch, könnte man eine Stecknadel fallen hören. Jegliche Betriebsamkeit der Herrenumkleide gefriert spontan in Fassungslosigkeit, nur langsam sind die unfreiwilligen Teilnehmer dieser verstörenden Show in der Lage, da weiterzumachen, wo sie zuvor aufgehört haben. Keiner der Anwesenden wird jeh wieder einen öffentlich zugänglichen Handföhn normal benutzen können....

Der Typ, der heute im Supermarkt an eine Wassermelone klopft und sich das Ding dann erwartungsvoll ans Ohr hält, erscheint mir in diesem Zusammenhang völlig normal. Auch wenn er deutlich über 60 ist.

Donnerstag, 30. Mai 2013

Einwurf | Falling Down

Nach vielen Tagen mal wieder mit dem Rad zur Arbeit fahren. Schön. Schön?

Erst kackt mich so ein Bonzen-Rotzlöffel am neuralgischen Verkehrsknotenpunkt im Viertel der Semi-Reichen an ("Hallo?! Fah'ma schneller"), glaubt wohl, dass mich seine scheiß 500-Euro-Allwetterjacke und sein 1500-Flocken-Fahrrad irgendwie beeindrucken....10 Jahre alt und schon Arschloch, tragisch. Das Tier im Manne öffnet kurz verschlafen die Augen

Dann meint ein viel zu kleiner und stark übergewichtiger Hilfsbauarbeiter, mir mit Berliner Akzent und einer großen, modernen Kunststoffleichtbauabsperrung den Weg vor der Nase zubauen zu müssen: "Fah'ma aussen rum, wa?!" ...das wäre an dieser Stelle eine ganz andere Route, mit einem gewaltigen Umweg. "Nöö..." Der Kerl schaut plötzlich sehr aggressiv drein, ich allerdings stehe nunmehr nicht allein vor ihm. Die Gruppe von Radlern, die den Typ mit mir zusammen ignoriert, schüttelt kollektiv den Kopf. Eine junge Frau fasst sich an die Stirn. Das Tier im Manne streckt sich kurz wie ein alter Kater, legt sich aber wieder hin.

Dort, wo der Radweg die Straßenbahnhaltestelle vom Tabakladen trennt, rennt mir plötzlich und unvermittelt eine hektische Mittvierzigerin orientierungslos direkt vor das Rad. Dank gut erhaltener Torhüter-Reflexe bringe ich das Rad noch vor ihrer schneeweißen Hose zum Stehen. Trotzdem werde ich mit einer unverständlichen Schimpfkanonade eingedeckt, die in ein zischeliges Gemotze abebbt. Ich glaube, ich habe nichts falsch gemacht. Das Tier im Manne ist jetzt wach...und ein bisschen angepisst.

Einen knappen Kilometer weiter nimmt mir genau der jugendliche Rechtsabbieger mit seinem rostigen Polo die Vorfahrt, der eigentlich seit der schneeweißen Hose neben mir her gefahren ist. Er hat mich todsicher gesehen, wahrscheinlich hätte er mich sogar auf einem Fahndungsfoto wiedererkannt. Das Schneiden trotz meiner grünen Ampel war ein sehr bewusster Vorgang. Glücklicherweise sind meine Bremsen in Ordnung, sie quietschen ein bisschen laut und überdecken damit den spontanen verbalen Ausfluss, den ich erleide. Ein etwas älterer Polizist, der die Szene auf der anderen Straßenseite beobachtet hat, schaut mit strafendem Blick zu mir rüber. Und macht....nichts. Okay, das stimmt nicht ganz, er nuckelt weiter an seinem Pappbecherkaffee und steigt in den Streifenwagen....

Das Tier im Manne will jetzt spielen. Es hat eine etwas zu große Adrenalin-Portion zum Frühstück bekommen und ist auf der Jagd. Und es weiß, dass du da draußen bist. Derjenige, der heute das Fass zum Überlaufen bringt, dann mit den verbalen Reißzähnen niedergestreckt und zu virtuellem Hackfleisch verarbeitet wird. Also los, mein Freund, trau dich aus deiner Deckung. Ich warte hier auf dich. Oder später auf dem Heimweg. Make my day.

Dienstag, 26. Februar 2013

Quatsch mit Soße? | Ein ganz scharfer Selbstversuch in Sachen 'Teinahme an Viralmarketing-Gags'

Prolog

Ich liebe Ketchup und all seine Derivate. Soßen überhaupt sind für mich das Größte. Ich esse gerne richtig gute Sachen, aber zur Abwechslung macht mich ein Teller mit irgendeiner Abwandlung der gebackenen Kartoffelspalte und einer guten, süßsauren Tomatenpaste richtig glücklich. 

Außerdem stehe ich auf Chili con Carne. Ich koche und esse es gerne, in den verschiedensten Variationen. Und seit mir mal ein fast zwei Meter großer Mexikaner nach einer fetten Chili-Orgie gesagt hat, dass mein Chili das Beste war, was er jemals östlich von Cancún gegessen hat, bilde ich mir ein, sowas wie ein Fachmann zu sein.

Irgendwann im Januar 2013


Ampelschaltung? Nicht ganz...
Ich beobachte wieder mal den rechten Rand der facebook Oberfläche. Nein, nicht irgendwelche Fascho-Aktionen, ich meine den physikalisch rechten Rand, an dem die ganze Werbung auftaucht. Zielgruppenorientiert, sagt facebook. Überwiegend merkwürdig herausgefiltert, sag ich. Mit dem Finger am virtuellen Abzug bin ich bereit, die x-te 'wie baue ich mehr Muskelmasse in vier Stunden' Werbung mit der Bemerkung uninteressant auszublenden. Warum tue ich das eigentlich, denke ich noch, ich muss denen doch eigentlich nicht noch helfen, ihre blöden Werbe-Filter zu optimieren....und wende mich den stellenweise nicht minder blödsinnigen Statusmeldungen der virtuellen Restgemeinde zu. Im rechten Augenwinkel taucht genau in diesem Moment eine rot-grün-gelbe Kombination auf, die meine Aufmerksamkeit doch wieder nach rechts lenkt. Wieder auf den Ampel-Trick reingefallen...funktioniert bei Männern immer ;-)

Bruchteile von Sekunden später ertappe ich mich dabei, wie ich auf der Seite des Ketchup-Giganten HEINZ  ein Mini-Formular ausfülle und mich in zwei Sätzen als potentiellen, und vor allem bestens medial vernetzten Hot-Sauce-Tester anpreise...

18. Februar 2013

Patrick Weiss schreibt mir, dass ich die Jury mit meiner (Zwei-Zeilen-)Bewerbung überzeugt habe und ich deswegen einer von 100 Testern sein werde. Ich schmunzle ein wenig und denke, wenn nur 90 Leute was geschrieben haben, war das vielleicht nicht wirklich ein Kunststück. Später lese ich bei facebook, dass es doch etwa 3000 Leute waren, die die Soße...ääähhh, sorry....Sauce zum Testen haben wollten.

22. Februar 2013

Mein neuer Freund Patrick Weiss schreibt mir wieder und möchte mir vorab ein Mini-Rezeptbuch mit jeweils einem Kochvorschlag zu jeder Hot Sauce zukommen lassen. Das angehängte PDF wird in der Inbox zwar angezeigt, ist aber in der Mail nirgends zu finden. Patrick bemerkt es innerhalb von zehn Minuten selbst und legt mit einem Hauch von Selbstironie nach. Ich schmunzele, offensichtlich sind die am anderen Ende der virtuellen Leitung von der entspannten Sorte.
Dann fällt mir ein, dass ich nie nach Rezept koche. Aber man kann sich ja Inspiration holen.

23. Februar 2013


Das Paket ist da :-) Es ist klein und handlich, und irgendwie genau, wie ich es erwartet hatte. Zu meiner Freude stelle ich nach dem Öffnen fest, dass nicht nur die Hot Sauces nebst Fragebogen enthalten sind, sondern auch ein rustikales Gemüsemesser mit Holzgriff und eingebranntem HEINZ Logo. Da fühlt sich der Grillmeister sofort angesprochen.

Flaschengröße und Design der Hot Sauces sind dem allgemeinen HEINZ-Produktstil angepasst, lassen aber auch keinen Zweifel daran, in welchem Terrain man hier einen Teil des Kuchens abschneiden möchte. Der klassische Schärfelieferant zum Nachwürzen ist ja das weit verbreitete Tabasco, und da geht hier schon rein optisch die Reise hin. Das Etikett der Hot Sauces wirkt aber durch den schwarzen Hintergrund etwas edler...aber das ist reine Optik. Zusätzlich sind die Schärfegrade mit einer Chilischoten-Skala von eins bis drei vermerkt (medium - hot - very hot)

16.23h

Ich bin neugierig, ein Schnelltest muss her. Zu diesem Zweck habe ich mir Tomatensaft vom Einkauf mitgebracht. Ja, ich bekenne mich als Tomatensaft-mit-Gewürzen-Konsument, nicht nur im Flugzeug, sondern auch zuhause.

(Selbst-)Versuchsaufbau
Die natürlich streng wissenschaftlich ausgerichtete Versuchsanordnung seht ihr hier rechts. Der Vierte Becher zur Rechten enthält Buttermilch, meine persönliche Exit-Strategie, falls die Zunge in Flammen aufgeht. Ich nehme es vorweg: Es passiert mir kein Schärfe-Unfall. Ich beschließe, mich durch die Schärfegrade nach oben zu arbeiten und fange mit Medium an...

Chipotle & Garlic (rot) | medium

Die Konsistenz der Soße ist sehr sämig, dickflüssiger als bei der Tabasco-Konkurrenz. Die Farbe ist zwar mit einem tiefen rotbraunen Ton ähnlich, aber man erkennt deutlich Zutaten- und Gewürzstücke. Das macht einen sehr guten Eindruck und wirkt ein bisschen wie homemade. Nach dem Öffnen des Klappdeckels, versuch ich zunächst den Dosierungskopf zu verstehen. Ich entschließe mich, es einfach auszuprobieren. Einfaches Kippen reicht jedenfalls nicht, es kommt nur sehr wenig aus der kleinen Öffnung. Ich werde mutiger und setze zu einem klassischen Maggi-Flaschen-Dreifach-Schuss an, und siehe da, dafür ist diese Öffnung gemacht. Drei ordentliche Spritzer landen im Tomatensaft, da mir völlig unklar ist, in welchen Schärfewelten ich mich bewege, rühre ich erstmal gründlich um.

Beim ersten Schluck ist das Aroma kaum wahrnehmbar, deswegen schiebe ich weitere vier Spritzer hinterher. Erneut gut umgerührt entfaltet sich jetzt ein mild-rauchiges Aroma, das ganz eindeutig nach verschiedenen Barbecue-Anwendungen schreit. Die Schärfe ist dezent und sehr angemessen, von der Knoblauch-Note ist allerdings kaum etwas zu spüren. Macht aber nix, vielleicht rundet es das positive Gesamtbild einfach ab, ohne auffällig zu wirken. Das langt auch völlig.

Green Jalapeno (grün) | hot

Variation Grün ist noch zähflüssiger als Rot, und macht bereits rein optisch einen fett fruchtigen Eindruck. Leicht angeheizt durch den mittelfeurigen aber vollen Geschmack, der immer noch auf meine Rezeptoren liegt, lange ich hier gleich mit vier ordentlichen Spritzern zu. Sofort nehme ich das Aroma schon über die Luft wahr, ein sehr fruchtiger Hauch breitet sich aus.

Im Geschmack bestätigt sich der Eindruck, ein sehr üppiges Aroma, das den typischen Jalapeno-Geschmack authentisch wiedergibt, damit aber auch in Mahlzeiten als Kochzutat sehr bestimmend sein kann. Was den Schärfegrad angeht, stelle ich hier keinen sehr deutlichen Unterschied zu unserem roten Kandidaten fest. Ich hab sogar nochmal zwei ordentliche Spritzer nachgeladen, die Steigerung in der Schärfe ist minimal.

Yellow Habanero (gelb) | very hot

Ich bin mittlerweile ein wenig im Chili-Rausch, fange an, mit spanischem Akzent zu denken und genehmige mir drei fette Spritzer des intensiv gelben Testkandidaten. Wieder ist sofort ein sehr intensives Aroma zu riechen. Ich muss gestehen, dass ich Habaneros noch nie zum Kochen verwendet habe, weil ich immer wieder gehört habe, wie schnell man sich da mengenmäßig vertun kann.

Die Habaneros (in der zähflüssigen Hot Sauce als kleine Fadenstücke zu erkennen) geben ordentlich Gas. Schon beim ersten Schluck aus dem Testbecher merke ich die Schärfe auf Lippen und Zunge, aber gleichzeitg stellt sich ein sehr "gemüsiges" Aroma ein. Als Kurzbeschreibung könnte man vielleicht sagen, wir haben es hier mit einer durchgeknallten Paprika zu tun. Dieses Aroma kann ich mir auch sehr gut in asiatischen Gerichten vorstellen, und es kommt wahrscheinlich nicht von ungefähr, dass es im Mini-Rezeptheft von HEINZ einen Kochvorschlag in genau diese Richtung gibt.

24. Februar 2013

Ich muss unbedingt eines der Rezepte ausprobieren, entscheide mich aus pragmatischen Gründen für das gerade beschriebene Wok-Gericht aus dem von HEINZ mitgelieferten Rezeptbuch. Da ich sonst nie nach Rezept koche, strengt mich selbst dieses simple Gericht erstmal ungewöhnlich an. Und das, obwohl die beste Frau der Welt bereits die ungeliebte Vorarbeit geleistet hat, sämtliche gemüsigen Zutaten in sehr kleine Stücke zu schneiden, die selbst den Ansprüchen des Herrn Rach genügen dürften. Und der asiatischen Küche sowieso.

Das Fleisch bereite ich getrennt zu, da die beste Tochter der Welt sich seit einiger Zeit konsequent vegetarisch ernährt. Über den Lese-Schnippel-Koordinationskonflikt hinweg, vergesse ich tatsächlich eine Zutat, dafür geraten mir viel zu viele Wok-Nudeln in die wokähnliche Riesenpfanne. Selbst leicht gesalzen schmeckt mir das erstmal nach nix, deswegen lange ich zum Schluss ordentlich mit der very hot Yellow Habanero zu. Die verbessert die Lage zwar und gibt dem ganzen ordentlich Dampf unter die Haube, trotzdem fehlt mir was. Na klar, kein Asiate würde sowas jemals völlig ohne Sojasoße zubereiten, also gebe ich hier von der milden Sorte etwas dazu und bringe (keineswegs restlos überzeugt) die ganze Sache für meine beiden Damen auf den Tisch.

Nach Zugabe von weiterer bereitgestellte Sojasoße (jetzt die scharfe Sorte), wird das Gericht von den Anwesenden Personen zwischen okay bis lecker einsortiert. Kein kulinarisches Mega-Highlight, aber ein schnelles Gericht, dass wegen der Woknudeln einen Sättigungsfaktor besitzt, ohne schwer im Magen zu liegen. Aber mir wird auch klar, dass man die Rezeptvorschläge in jedem Fall nur als Basis sehen darf, auf der man seinen eigenen Verfeinerungen hinzufügen muss. Vielleicht einfach mehr Hot Sauce. Demnächst wird noch die scharfe Suppe ausprobiert...

Fazit

HEINZ hat nicht den Fehler gemacht, eine lediglich verbesserte Kopie von irgendetwas auf den Markt zu bringen. Stattdessen werden sehr aromatische Chili-Würzsoßen geboten, bei denen man ordentlich zulangen kann, auch wenn der Unterschied in den Schärfestufen medium und hot nicht wirklich groß ist. Die Hot Sauces sind  eine Zutat zum Nachwürzen und genau so sollte man sie auch behandeln, so kann beispielsweise jeder Gast bei einem üppigen Chili con Carne Abend nach eigenen Gelüsten nachschärfen...dem Feuer sind da keine Grenzen gesetzt. Den Dosierschwung muss man erstmal selber rausfinden, aber wenn man's hat, ist es einfacher in der Handhabung als z.B. Tabasco. Ich selbst werde die drei Sorten sicherlich im Sommer auch mal in verschieden Dip- und Barbecue-Soßen verarbeiten, da geht bestimmt noch was.

Die Aktion selber finde ich sehr gelungen. Im Gegensatz zu vielen "viralen" Social Media Aktionen der letzten  Zeit, hat HEINZ sich hier eine ganz einfache, wenig aufwendige Sache ohne die übliche Hysterie ausgedacht. Zuletzt setzten einige Unternehmen auf das virtuelle Vorführen von Menschen, das kam bei vielen überhaupt nicht gut an. Bei mir auch nicht.

Vielen Dank, HEINZ, dass du mich bedacht hast...und herzlichen Glückwunsch zu einem gelungenem Produkt :-)


Epilog


  • Laut Wikipedia verkauft die H.J.Heinz Company ihre Produkte unter den Marken HEINZ, HP und Lea&Perrins in über 50 Ländern dieser Erde. Das bekannteste und mit älteste Produkt ist der HEINZ Tomato Ketchup (1876)
  • Der Begriff Ketchup ist am wahrscheinlichsten vom indonesischen kecap abgeleitet, das zunächst mal nichts weiter als Soße bedeutet. In der indonesischen Soße spielen allerdings Tomaten keine Rolle.
  • Die Basis für die ersten Ketchups ist vermutlich eine salzige Fischsoße (ähnlich der Sojasoße) gewesen.
  • In vielen Ländern Asiens wird Ketchup wegen der idealen Mischung der Zutaten als Basis für diverse Speisesoßen benutzt. Die Auswahl wird hier auch um ein mit lokalen Zutaten modifiziertes Angebot erweitert, so gibt es beispielsweise auf den Philippinen mit seinen gefühlten 100 Bananensorten den sehr beliebten Banana Catsup....der zwar rotbraun ist, aber keinerlei Tomaten enthält.
  • Ich habe keine Ahnung, warum ich hier von Ketchup schreibe, denn es geht ja eigentlich um Würzsoßen aus Chilischoten.
  • Ich weiss bis heute nicht, ob es Patrick Weiss wirklich gibt.

Freitag, 14. Dezember 2012

Life according to Momo | Aus dem Tagebuch einer vierbeinigen Diva

Ich, auf meinem Thron
Gestatten - ich bin Momo, jedenfalls nennen mich die Zweibeiner so. Meinen kätzischen Namen könnten sie eh nicht aussprechen, deswegen erwähne ich ihn auch gar nicht. Ich bin etwa drei Jahre alt und komme vom Land, habe mich aber dazu entschlossen, in der Stadt zu leben. Zu Hause sind wir vier, manchmal auch fünf, oder sogar noch mehr. Dazu später mehr. Meine Haupbeschäftigungen sind fressen, schlafen, fressen, jagen, fressen....in exakt der Reihenfolge, oder auch umgekehrt.

Ich habe mir ein Reich ausgesucht, dass sehr viele Vorteile bietet. Meine Mama wollte damals noch, dass ich mit ihr über die Felder ziehe, aber ich hab ihr schnell verklickert, dass daraus nichts wird. Ich hab früh gewusst, dass in der Stadt ein Ort auf mich wartet, der sehr viele Vorteile bietet (inkl. Vollversorgung). Die Zweibeiner, die mich in mein Schloss geholt haben, sind eigentlich okay. Manchmal vielleicht ein bisschen komisch, aber das sagen ja alle Kollegen über ihre Bediensteten, insofern ist das nicht ungewöhnlich.

Drei Zweibeiner sind jeden Tag da. Die Kleine hat keine festen Zeiten, was mich maßlos irritiert. Die taucht plötzlich aus dem Nichts auf und verschwindet manchmal genauso schnell wieder, wie sie erschienen ist. Sie hätte das Zeug zur Katze. Und dann drückt sie mich zwischendurch immer ganz fest, ich glaub, die mag mich irgendwie. Manchmal bringt sie Einen mit, der mit mir spielt und tobt, was cool ist, denn mir ist beim Herrschen häufig langweilig.

Die Große ist total lieb, aber sie will immer kuscheln. Ich tue dann so, als würde es mir gefallen, aber in Wahrheit ist es total langweilig. Manchmal rennt sie auch hinter mir her, das ist viel cooler, schließlich bin ich Teenager...und auf's Sofa legen kann ich mich ja später immer noch.

Der Alte ist echt schwierig. Er hat feste Vorstellungen davon, wie das hier mit unserer Beziehung läuft, und hat als einziger noch nicht vollständig akzeptiert, dass ich hier der Chef bin. Okay, er ist ein prima Dosenöffner, aber er meckert auch viel rum, z.B. wenn ich mal auf meiner Arbeitsplatte in meiner Küche nachschaue, ob er da nicht was zu fressen vergessen hat. Hat er nämlich häufig, weil er gelegentlich mal verdrängt, dass ich einen Anspruch auf so Sachen wie Fleischsoßenreste habe. Aber ich bin zuversichtlich, den kriege ich noch hin, er ist ja lernfähig.

Alles in allem habe ich gute Angestellte, die ja sogar in meinem Haus wohnen dürfen. Und ganz ehrlich....ohne sie wäre mir fürchterlich langweilig. Aber ich werde den Teufel tun und ihnen das stecken, die werden sonst noch verwöhnt. Allerdings haben sie komischerweise viele verschiedene Begriffe für Dinge, die alle die gleiche Funktion ausüben. So sagen sie so Sachen wie Sofa, Sideboard, Stuhl, Sessel, Hocker, Umzugskarton, Kratzbaum oder Wohnzimmertisch zu allem, was eigentlich ein Bett ist. Da sind die irgendwie merkwürdig, ich glaube aber, sie wollen einfach ihren überlegenen Intellekt zur Schau stellen. Ich lach mich tot, hahahahahaha. Der Alte hat ja noch nicht einmal geschnallt, dass ich ihn darauf dressiert habe, mir spät abends noch einen Snack zur Verfügung zu stellen, obwohl ich eigentlich nix mehr kriege (was ne Sauerei ist). Der merkt echt nicht viel...

Übrigens scheinen die Zweibeiner auch ganz komische Ängste zu haben. Ich versteh das gar nicht, aber irgendwie haben sie nichts übrig für Geschenke, die ich ihnen mit nach Hause bringe. Dabei gibt es doch nichts Besseres, als dass man kleine Flug- und Bodenwesen (ich nenn sie jetzt mal zärtlich Opfer) mitgebracht bekommt. Und schließlich sind die ja auch noch am Leben, wenn ich damit heimkomme, ich mach die ja nicht sofort platt. Da ist es schon etwas enttäuschend, denn das mache ich ja nur aus Zuneigung, echt jetzt. Ich hab euch doch schon irgendwie lieb, aber ich weiß nicht, wie ich es sonst noch zeigen sollte. Daran müssen wir wirklich noch arbeiten.

Opfer
Opfer gibt es übrigens reichlich in der Umgebung. Die meisten krabbeln am Boden rum und denken, sie wären sicher, weil die Kollegen wirklich sehr faul sind. Seit ich da bin, weht hier ein anderer Wind. Ich hab denen erstmal gezeigt, wie wir Landeier das machen. Die Anderen sind dann nach Hause gegangen, sich 'ne Dose aufmachen lassen. Faules Pack. Nun gut, so bleiben mehr Opfer für mich.

Die Zweibeiner haben auch Freunde, von denen einige immer die anderen, kläffenden Vierbeiner mitbringen; ich nenne sie jetzt mal liebevoll Unterwesen. Die Unterwesen wollen immer spielen. Das ist prinzipiell eine gute Sache, aber diese Vollpfosten wissen einfach nicht, wann mal Schluss ist. Das nervt dann gewaltig. Okay, aber die Aufmerksamkeit ist meistens das Entgegenkommen wert.

Auf beiden Seiten wohnen auch noch Unterwesen nebenan. Der große Blonde ist total cool und interessiert sich nicht besonders für mich....was ich gelegentlich auch nicht gut finde. Der kleine Schwarze hat nicht alle Latten am Zaun. Zuerst dachte ich, es läge an der natürlichen Antipathie zwischen unseren Völkern, aber jetzt weiß ich, dass der Chaot wirklich alles ankläfft, was sich bewegt. Oder auch nicht bewegt, je nachdem. Das Teil gehört in Therapie, echt jetzt.

Apropos Nachbarn: In meiner Hood leben auch jede Menge anderer Homies. Digger & Digger von zwei Eingängen weiter sind sehr launisch und auch schon älter, aber wollen meistens keinen Stress, deswegen kommen wir klar. Ihr Zweibeiner ist so dämlich, dass der tatsächlich ein Loch in seine Terrassentür gesägt hat, so dass mich ich ab und zu mal über den örtlichen Napf hermache. Geile Sache. Mit Bro & Sis von der Straße vorne ist das schon schwieriger. Ich dachte, die fänden vielleicht die "same generation, let's play" Nummer lustig, aber die beiden sind ziemlich humorlos und machen lieber einen auf Gangztaaaa. Ich versuch's trotzdem weiter, die werden schon kapieren, dass ich hier die geilste Schnitte weit und breit bin. Momo from da block....yeah.

Die anderen Kollegen aus der Nachbarschaft rangieren irgendwo zwischen fauler Sack und Serienkiller, sehr stark tagesformabhängig. Ich hab immer gedacht, wir könnten mal zusammen einen drauf machen, aber die Spezies sind doch irgendwie sehr für sich und sehr speziell. Okay, logisch....nicht jeder kommt mit einem echten Star klar, ich versteh das. Nee, wirklich jetzt, ich mein das ernst....i'schwör!

So, jetzt muss ich aber auch los, die Tage werden kürzer, und immer häufiger fällt irgendso'n feuchtes Zeug vom Himmel (neuerdings auch in weiß). Das ist total ätzend, ich weiß nicht, wieso sich die Vierbeiner so'ne Scheiße ausgedacht haben. Ich weiß nur, dass sie Schuld sind. Ganz sicher. So wie an den meisten Dingen, die in dieser Welt irgendwie nicht rund laufen. Cheers.

Freitag, 30. November 2012

Fahr los, Alter... | Der Versuch einer Mobil-Typologie


Ich habe ja lange Zeit nicht an ein Klischee geglaubt. Ich wollte mich den Stereotypen verweigern, ganz ehrlich. Es kann ja nicht sein, dass man bestimmte Charaktere und sogar typischerweise Berufsgruppen einem bestimmten Fahrzeug zuordnen kann. Doch je älter man wird, desto eindeutiger werden die Hinweise. Und mit der Zeit stellt sich sowas wie ein gefühlt-empirischer Beweis ein. Quasi von ganz allein, ohne dass man noch mal an der Klischeesuppe rühren müsste. 

Hier nun das vorläufige Endergebnis, der Versuch einer Typisierung, ohne Gewähr für die Relevanz der Daten. Aus dem Bauch heraus quasi, und wer sich dabei irgendeinen Schuh anziehen möchte....bitte sehr :-) Asiatische Klein(st)wagen, Golf und Astra habe ich (überwiegend) weggelassen, die werden von zu vielen sehr unterschiedlichen (auch was die Vernunft angeht) Leuten genutzt. 

VW Passat (auf der Autobahn)
Choleriker (wie jetzt, das ist kein Beruf?), der mit seinem Firmenwagen unterwegs ist. Ungeduldig, leicht reizbar...Lichthupe und/oder Blinker immer im Anschlag.

VW Passat (mit fremdem Kennzeichen in deiner Stadt)
s.o., nur dass er in der Stadt noch dichter auffährt. Die Tatsache, dass du ihm Rückspiegel die Schweißperlen auf seiner Stirn sehen kannst, interessiert ihn genauso wenig, wie der Umstand, dass seine Klimaanlage quasi eine Standleitung zu deinem Auspuff aufgebaut hat.

VW Passat (mit einheimischen Kennzeichen in deiner Stadt)
Entweder wie oben, aber auch häufig Typ Familienvater. Letzterer nervt vor allem gerne durch 45 fahren, wo 50 erlaubt ist.

Mercedes E-Klasse
Von mittelständischem Unternehmer bis Zahnarzt alles dabei, was einigermaßen Kohle angehäuft hat. Je mehr Kohle, umso größer der Motor. Gemeinsam ist ihnen der Drang, anderen Verkehrsteilnehmer mit wachsender Begeisterung die Vorfahrt zu nehmen. Erlaubt ist, was funktioniert.

Mercedes 190 (alt...)
Rentner...definitiv! Fährt fast überall 30, allerdings auch in der Spielstraße, wo nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist...schließlich war er ja auch vorher die ganze Zeit langsam. 

Porsche Cayenne
Zahnarzt, Fußballprofi oder Drogendealer, ist aber wegen der getönten Scheiben meist nicht eindeutig zu erkennen. Bewegt sich aus unerklärlichen Gründen meist sehr viel zurückhaltender im Straßenverkehr, als die Stärke hergeben würde.

Audi A4
Kaufmännischer Angestellter, häufig frustriert wegen fehlender Aufstiegsperspektive, daher sehr aggressiv, sowohl beim Bremsen als auch beim Gas geben. Abstand halten, sehr gefährliche Spezies, besonders, wenn die Kiste tiefer gelegt wurde!

Audi A8 / VW Phaeton
...was interessiert mich die Welt, ich lebe auf meiner Insel und zuckel gleichmäßig durch die Gegend. Ups...schon 50? Der Tempomat regelt das. Geschäftsführer, mindestens....

Toyota Aygo
Kaufmännischer Angestellter (Zweitwagen). Mutti hat heute mal den Audi genommen, und in der Stadt ist ja die Reisschüssel eh viel praktischer. Was nicht heißt, dass er nicht wie der letzte Vollhonk damit durch die Gegend brettern kann. Kann er...

Peugeot 107 / Citroen C1
Kaufmännische Angestellte, die sich über den Trottel kaputtlacht, der den teureren Aygo gekauft hat. Natürlich hat sie vorher gründlich im Web recherchiert und gelernt, dass alle drei Autos aus der gleiche Fabrik laufen. Fährt fast immer sicher und aufmerksam, es sei denn, sie wird durch nen nervigen Begleiter (Audi-Typ, kann er sich aber noch nicht leisten) oder dauerquasselnde Begleiterin(nen) abgelenkt. Dann fällt sie auch schon mal durch plötzliche Lenk- und/oder unmotivierte Bremsmanöver auf.

BMW 3er
Schüler/Azubi. Während der südländische Typ mit an Komik grenzender Coolness (eyh, Alttaa, was geht?!) vorzugsweise zur Disse cruised, ist der nord-europäisch dreinblickende Protagonist (eyh, Alddaa, was gäääähhhddd?!) am liebsten dauerhaft zu schnell unterwegs....und glaubt, das wäre cool. Tragisch ist dabei häufig, dass der Erstere weiß, was Protagonist bedeute, während Letzterer denkt, das hätte was mit einer unangenehmen Untersuchung beim Urologen zu tun.
Oder schaut bei A4 nochmal nach...

BMW 5er
siehe A4....wobei allerdings grundsätzlich (wie bei allen BMW) ständig alle Blinker ausgefallen sein müssen. Wie wären die nicht angezeigten Spurwechsel in der Masse sonst zu erklären?!

BMW7er
siehe A8/Phaeton oder Porsche Cayenne, merkt dann allerdings irgendwann, dass der BMW so dermaßen voller Elektronik ist, dass durch den elektromagnetischen Impuls auch schon mal die Straßenbeleuchtung flackert.

Renault Kangoo / Citroen Berlingo
Bioladenbetreiber, Hundetrainer oder Hausfrau und/oder Mutter. Fährt aus ökologischen Gründen immer und überall fünf bis zehn km/h langsamer als erlaubt. Rückspiegel sind ihm/ihr völlig unbekannt, warum auch, ich zeige ja durch den Blinker an, was ich vorhabe. Das Auto ist meist nach Jahren der Benutzung immer noch in gutem Zustand, da dieser Verkehrsteilnehmer von Haus aus eigentlich Fahrradfahrer ist. Strecken unter fünf Kilometer werden nie mit dem Auto zurückgelegt, leider ist der anthroposophische Kindergarten oder die Waldorfschule auch schon mal ganz schön weit weg vom Szene-Viertel. 

VW Bulli (Transporter)
Besitzer von älteren Fahrzeugen sind alles, vom Pädagogen bis zum Ingenieur. Aber sie bsateln halt gerne. Moderne Transporter befinden sich in der Regel in der Hand von erfolgreichen Kleinunternehmern mit Familie, ist dann jedoch über die Firma geleast, denn eigentlich ist ein neuer Transporter quasi unbezahlbar (es sei denn, man lässt bis auf den Motor alles weg). Als Verkehrsteilnehmer überwiegend entspannt, kann aber jede Art von Mercedes- und BMW-Fahrer nicht leiden. Und schaltet deswegen gerne mal auf stur. Was geht, weil so'ne Schrankwand ganz schön groß sein kann, wenn sie erstmal im Weg steht.

Fiat Panda
Schüler/Azubi/Studenten/junge Angestellte/Zweitwagen für Hausfrauen. Weibliche Eigentümer betrachten ihren Panda als süß, männliche als Müllhalde. Während die Frauen froh sind, ein so praktisches Auto zu fahren, verachten sich junge Männer selbst für ihren Pizzadienstwagen. Manch einer soll es schon mit Selbst-Sabotage versucht haben, leider ist der Panda vermutlich der erste Fiat überhaupt, der quasi unverwüstlich ist. Die Legende erzählt von welchen, die nach Jahren in der Sahara aus einer Sanddüne wieder auftauchten und spontan ansprangen. Na, ich weiß nicht...

Smart ForTwo
Selbstständige Dienstleister, die auf Mobilität angewiesen sind, etwa Hauspflegekräfte, mobile Massagedienste oder Ähnliches. Das geleaste Fahrzeug wird fast immer auch privat genutzt, und der Miniatur-Kult verleitet die Fahrer zu den aberwitzigsten Manövern. Das Querparken in dafür nicht geeigneten Parkbuchten ist nur der Anfang, man kann jeden Tag irgendwo mindestens einen Smart neben einem Fahrradständer auf dem Fußweg sehen, "er nimmt ja soooo wenig Platz weg." Was ja grundsätzlich stimmt, trotzdem darf er nicht auf den Fußweg. Diskussion über solche "Kinkerlitzchen" sind sinnlos.

Mini
Junge Angestellte, ältere Hausfrauen (dann meist Drittwagen). Laut Werbung sind Mini-Fahrer Individualisten, im wahren Leben eher sympathische Spießer mit Geld. Der Mini-Mensch bricht selten Regeln, er steht sogar auf dem Supermarktparkplatz völlig korrekt innerhalb der Markierungen. Die meisten Minis sehen immer aus, wie aus dem Ei gepellt, wahrscheinlich alles Garagenwagen.

VW Eos
Beruflich erfolgreiche Frauen, denn den muss man sich erstmal leisten können. Eigentlich nur ein Kleinwagen, aber eben mit allerlei drum und dran. Und unübersichtlich muss er sein, denn am Straßenrand geparkt, steht er meistens mindestens einen halben Meter von der Bordsteinkante entfernt. Und gerade steht er auch nicht. Fällt im Straßenverkehr nicht auf, sondern eben nur beim Parken....da steht er dann, irgendwie, irgendwo.

Volvo XC60
Unternehmer oder Architekt, Mitte 40 bis Anfang 60. Eher Understatement-Typ, im Straßenverkehr unauffällig und angepasst. Auf dem Parkplatz zeigt sich dann erst, wie groß die Kiste eigentlich wirklich ist. Dann ärgert sich der Besitzer, dass er nicht doch einfach den geil ausgestatteten Mini genommen hat.

Opel Zafira/Meriva, VW Sharan/Touran oder jeder andere Mini-Van
Pädagogen oder Angestellte oder angestellte Pädagogen jeder Art und Gute, aber mit Familie. Denn schließlich gibt es sonst kein Argument, ein so sperriges Teil durch die Gegend zu kutschieren. Fährt unauffällig durch die Gegend, kommt aber an so mancher Ampel nicht in Gang. Meistens dann, wenn ich direkt dahinter bin...


Ich hör jetzt auf, man könnte immer weiter machen. Vermutlich funktioniert sowas auch nur im autoversessenen bzw. -verrückten Deutschland. Oder ich bin einfach irgendwie in letzter Zeit zuviel Auto gefahren, vielleicht sollte ich lieber wieder die Straßenbahn benutzen. Dazu fällt mir dann bestimmt auch erst was auf und danach was ein. Ganz sicher...

P.S.: Bevor einer fragt --- wenn ich fahr, fahr ich Twingo. Unauffällig für die anderen Verkehrsteilnehmer, unerträglich für die Mitreisenden...schließlich muss ich mich ja über die Anderen ordentlich aufregen.